Presence of multi-walled carbon nanotubes (MWCNT) in the environment : release from polymer/MWCNT composites and their interaction with the biocide triclocarban (TCC)

Hennig, Michael; Schäffer, Andreas (Thesis advisor); Hollert, Henner (Thesis advisor)

Aachen (2019, 2020)
Doktorarbeit

Dissertation, RWTH Aachen University, 2019

Kurzfassung

Der Einschluss von mehrwandigen Kohlenstoffnanoröhren (MWCNT) in reine Kunststoff-Polymermatrix führt zu einer maßgeblichen Verbesserung von diversen Eigenschaften des Plastikprodukts bzw. Nanokomposits. Wenn ein Produkt das Ende seines Lebenszyklus erreicht, wird es normalerweise auf Mülldeponien entsorgt und dort bspw. durch Bewitterung photooxidativ oder chemisch abgebaut, so dass es seine strukturelle Integrität verliert. Infolgedessen ist eine Freisetzung von MWCNT und Polymer/MWCNT Bruchstücken sehr wahrscheinlich. Sobald diese freigesetzten Materialien dann in die Umwelt gelangen, können sie als Sorbenten für diverse hydrophobe, organische Chemikalien fungieren. Des Weiteren sind sie für aquatische und terrestrische Lebewesen bioverfügbar, so dass sie aufgenommen und eingelagert werden. Die kombinierte Belastung kann somit eine veränderte Biokonzentration der Chemikalie und verstärkte toxische Effekte in den Organismen hervorrufen. Diese Arbeit bietet einen Überblick über die Auswirkung der MWCNT und der Kunststoff-bruchstücke auf die Umwelt, die aus Polypropylen (PP) und Epoxidharz (E) Nanokompositen freigesetzt wurden (Kapitel 2). Es stellt sich die Frage, welchen Einfluss freigesetzte MWCNT in Kombination mit dem Biozid Triclocarban (TCC) auf das aquatische Nahrungsnetz haben (Kapitel 3). Im ersten Teil meiner Arbeit werden die MWCNT-Freisetzungsraten von selbstproduzierten PP (2.5 Gew%) und E (0.25 Gew%) Nanokompositen mit Hilfe von radioaktiv markierten MWCNT ($^{14}$C-MWCNT) quantifiziert. Ein Teil der Komposite wurde zuvor mit simulierten Sonnenlicht bestrahlt (+SSR, 50 W m$^{-2}$, 3 Monate), der unbestrahlte Teil diente als Kontrollgruppe (-SSR). Beide Komposittypen wurden manuellem Stress, künstlichem Süß- und Meerwasser ausgesetzt und in Quarzsand-Wasser-Systemen oder in Boden inkubiert. SSR führte zu einem Polymerabbau der Nanokompositoberfläche und zu einer verstärkten Bildung von Mikrorissen, rauen Strukturen und Hohlräumen. Freigesetztes Material bestand aus Polymerbruchstücken mit eingebetteten und herausstehenden MWCNT. Es wurden zudem auch einzelne Nanoröhren gefunden. Weitere Degradation der Nanokomposite fand bei Exposition unter den oben genannten Stressbedingungen statt. Belichtete PP-Plättchen setzten eine signifikant höhere 14C-MWCNT Menge mit ungefähr 0.2% der eingebetteten MWCNT (EM) nach manueller Behandlung (36-fach höher) und ungefähr 0.02% der EM in den Umweltszenarios (6-fach höher) im Vergleich zur Kontrollgruppe frei. Dies entsprach ca. 26 mg m$^{-2}$ und 2.2 mg m$^{-2}$ $^{14}$C-MWCNT durch die Behandlung mit mechanischen bzw. Umweltstressoren. Für die E-Plättchen wurde eine 23-fach höhere Freisetzung nach mechanischer Behandlung mit einem freigesetzten Anteil von 0.11% der EM aufgezeigt, was einer Menge von 3.4 mg m$^{-2}$ 14C-MWCNT entsprach. Nach Beanspruchung in den Umweltmedien wurden durchschnittlich 0.04% der EM freigesetzt, was mehr als 11-mal so viel war als aus den unbelichteten Kompositen. Dieser Anteil entsprach einer Menge von 1.2 mg m$^{-2}$ $^{14}$C-MWCNT. Die zugeführte Energie und die Intensität des jeweiligen Stressors sind die hauptsächlichen Faktoren für eine verstärkte MWCNT Freisetzung. Ionenstärke im Medium verringerte die Freisetzung aus den Kompositen aufgrund von Agglomerationsprozessen und einer Umordnung der freigelegten MWCNT auf der Kompositoberfläche. Zusätzlich konnte ein mineralisierter Anteil von 1.7 µg $^{14}$C-MWCNT im Boden nach 188 Tagen beobachtet werden (applizierte Menge: 2.5 mg). Es zeigte sich, dass freigesetztes Material bioverfügbar für aquatische Invertebraten ist. Daphnia magna, Artemia salina und Lumbriculus variegatus nahmen bis zu 4% der freigesetzten Fragmente auf, ohne dass akut toxische Effekte auftraten. Zusätzlich kann das Material schnell ausgeschieden werden. Dennoch konnten indirekte Effekte bei Daphnia magna Populationen nach Exposition von 100µg L$^{-1}$ MWCNT und 40 mg L$^{-1}$ verwittertem, fragmentiertem E/MWCNT-Produkt aufgezeigt werden. Durch die stetige Exposition der Tiere für 22 Tage, führte eine anschließende Futterreduktion zu einem signifikant stärkeren Abfall der Individuenzahl im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle. Zusätzlich konnten subletale Effekte, wie verkürzte Antennen, interne Vakuolen oder rotgefärbte Maxillarnephridien beobachtet werden. Im zweiten Versuchsteil wurden die Interaktionen zwischen MWCNT und TCC in verschiedenen Umweltmedien untersucht. Daraus resultierend konnten die Veränderungen der Bioverfügbarkeit von TCC für Desmodesmus subspicatus, Daphnia magna und Artemia salina ermittelt werden. Wässrige MWCNT-Dispersionen (1 mg L$^{-1}$) zeigten eine Bildung von Agglomeraten und eine schnellere Sedimentation in Meerwasser als im Süßwasser (0.027 h$^{-1}$ und 0.017 h$^{-1}$). Auf Basis dieser Ergebnisse hat schnelles Agglomerationsverhalten einen starken Einfluss auf die Adsorption von TCC an MWCNT. Je höher die Ionenstärke in einem Medium ist, desto schneller agglomerieren MWCNT und bieten somit weniger Adsorptionsstellen für TCC. Dennoch zeigte sich in allen getesteten Medien ein ähnlich hoher Verteilungskoeffizient (log K$_{MWCNT}$) von ungefähr 7.6. Außerdem ergab die Modellierung der Sorptionskinetik, dass das Dubinin-Ashtakhov Modell die beste Anpassung mit einem Korrelationskoeffizienten von >0.96 für alle Szenarien besaß. Bezüglich der Toxizität wurde eine mittlere Effektkonzentration (EC$_{50}$) von 19, 21 und 16 µg TCC L$^{-1}$ für D. subspicatus (72 h), D. magna (48 h) and A. salina (48 h) ermittelt. Diese war leicht höher als die gemessenen Umweltkonzentrationen von 6 µg TCC L$^{-1}$. Die Biokonzentrationsfaktoren (log BCF) für TCC (10 µg L$^{-1}$) betrugen 4.6, 4.1 und 3.4 für die drei Organismen, was eine mäßige bis starke Biokonzentration aufzeigt. Folglich sind TCC-MWCNT-Sorbate für Biota potentiell bioverfügbar und führen somit zu einer Veränderung der TCC-Bioverfügbarkeit. Für D. subspicatus wurde eine Toxizitätsreduzierung beobachtet, da die Sorbate durch deren Zurückhaltung an der Zellwand nicht weiter in die Algenzellen aufgenommen werden konnten. Infolgedessen war auch kein EC$_{50}$ bestimmbar. Der log BCF besaß einen leicht höheren Wert von 4.7. Dennoch zeigten die internen TCC Konzentrationen in den Algen niedrigere Mengen in Anwesenheit von MWCNT an (91 mg kg$_{dw}$$^{-1}$ vs. 55 mg kg$_{dw}$$^{-1}$ nach 24 h), was letztlich auf eine Biokonzentrationsreduktion hinweist. Bezüglich der beiden Invertebraten fand in Anwesenheit von MWCNT eine Toxizitätserhöhung von TCC mit niedrigeren EC$_{50}$-Werten von 2 und 0.4 µg TCC L$^{-1}$ für die Daphnien bzw. Salzwasserkrebse statt. Gleicher Anstieg konnte in den log BCF von 4.4 und 4.1 in Abwesenheit von MWCNT beobachtet werden. Die internen TCC Konzentrationen in den Tieren waren dennoch niedriger (D. magna: 78 mg kg$_{dw}$$^{-1}$ vs. 7 mg kg$_{dw}$$^{-1}$ nach 72 h, A. salina: 8 mg kg$_{dw}$$^{-1}$ vs. 7 mg kg$_{dw}$$^{-1}$ nach 48 h), was auch auf eine Reduktion der Biokonzentration hinweist. Beide Invertebraten nehmen die Sorbate in den Magen-Darmtrakt auf, jedoch hängt die Desorptionsgeschwindigkeit des TCC von der eingesetzten TCC-Konzentration ab. Abschließend zeigen alle Studien neue Einblicke in das Freisetzungsverhalten von MWCNT Nanokompositen nach deren Entsorgung. Es konnte das erste Mal gezeigt werden, dass freigesetzte Mikro- und Nanoplastik-Fragmente für pelagische und benthische Organismen bioverfügbar sind und diese auch die Population schädigen können. Zusätzlich zeigt die Kombination von TCC und MWCNT verringerte Effekte auf Primärproduzenten und verstärkte Effekte auf Primärkonsumenten. Die verwendete MWCNT-Konzentration war ca. 6 Größenordnungen höher als die umweltrelevanten Konzentrationen (ng L$^{-1}$). Die neu gewonnenen Einblicke schließen viele Wissenslücken und führen zu einem besseren Verständnis des Einflusses von MWCNT. Dennoch muss bedeutend mehr Forschung in diesem Gebiet betrieben werden, um alle möglichen Risiken für die Umwelt aufzudecken.

Identifikationsnummern

Downloads