Ecological functions and services in the context of a multidimensional assessment for urban green spaces

  • Ökologische Funktionen und Leistungen im Kontext einer multidimensionalen Bewertung urbaner Grünflächen

Daniels, Benjamin; Schäffer, Andreas (Thesis advisor); Roß-Nickoll, Martina (Thesis advisor)

Aachen (2020)
Doktorarbeit

Dissertation, RWTH Aachen University, 2020

Kurzfassung

Der stetige Prozess der Urbanisierung, die wachsende Anzahl an Stadtbewohnern und der damit verbundene Nutzungsdruck in urbanen Räumen führen zu der Notwendigkeit, die wenigen Freiflächen in Städten möglichst optimal zu nutzen. Auf diese Weise wird eine städtische Zersiedelung und eine weitere Flächeninanspruchnahme für städtische Räume vorgebeugt. Städtische Grünflächen haben in diesem Kontext eine besondere Bedeutung, um den unterschiedlichen Anforderungen in einem städtischen Umfeld gerecht werden. Urbane Grünflächen stellen verschiedene Ökosystemfunktionen und -dienstleistungen bereit, die einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung zentraler Herausforderungen in Städten leisten können: So können mikroklimatische Temperaturregulationen, Luftfilterfunktionen, Lärmreduzierungen und kulturelle Leistungen wie Erholungsfunktion und Naturkontakt zum Wohlergehen und zur Gesundheit der Menschen beitragen. Darüber hinaus fungieren städtische Grünflächen als wichtige Habitate für verschiedene Pflanzen- und Tierarten. Dies stellt eine Grundvoraussetzung für den Erhalt und die Förderung der biologischen Vielfalt, sowie für die Beibehaltung ökologischer Prozesse in städtischen Ökosystemen dar. Aus diesem Grund wurde im Zuge dieser Forschungsarbeit ein integrativer Ansatz zur Bewertung städtischer Grünflächen entwickelt, bei der die bereitgestellten Ökosystemleistungen und -funktionen aus der Perspektive verschiedener Disziplinen quantitativ in Wert gesetzt werden. Diese multidimensionale Methodik beruht auf der Ableitung ökologischer, mikroklimatischer und soziokultureller Indikatorwerte, die in eine neue, ganzheitliche Metrik mit einem einheitlichen Bezugssystem integriert wurden. Als Grundvoraussetzung dieses Modellansatzes wurde zunächst ein konsistentes Klassifikationssystem zur flächendeckenden Charakterisierung der strukturellen Zusammensetzung urbaner Grünflächen entwickelt. Dabei wurden einzelne strukturell abgrenzbare Elemente von Grünflächen definiert und diese anhand von Vegetationsaufnahmen und erhobenen strukturellen Parametern ökologisch eingeschätzt. Das Klassifikationssystem und der entwickelte multidimensionale Bewertungsansatz für Ökosystemleistungen wurden anschließend für neun Untersuchungsflächen der Stadt Aachen angewendet. Auf diese Weise konnte der Beitrag einzelner Parkstrukturen zu den bereitgestellten Ökosystemleistungen quantifiziert werden. Zusätzlich wurden Potentiale zur Verbesserung der ökologischen Funktionen und Leistungen in unterschiedlichen Parks und Parktypen identifiziert. Als eine besonders relevante ökologische Funktion urbaner Grünflächen wurden in einem weiteren Schritt Pflanzen-Bestäuber-Interaktionen und die entstehende Bestäubungsleistung in Strukturelementen der Grünflächen empirisch untersucht. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten spezifische Muster in den Lebensgemeinschaften der blütenbestäubenden Insekten zwischen verschiedenen Strukturelementen und Parktypen festgestellt werden. Der strukturellen Zusammensetzung und Ausstattung von urbanen Grünflächen und dem dazugehörigen Design- und Nutzungskonzept wurde ein signifikanter Einfluss auf die Abundanz und Diversität von blütenbesuchenden Insekten zugeordnet. Naturnahe Managementkonzepte für städtische Grünflächen können die Vielfalt der bestäubenden Insekten und damit das Level der Bestäubungsinteraktionen zwischen Pflanzen und Bestäubern verbessern. Die Ergebnisse verdeutlichen das hohe Potential in Städten, einen Lebensraum für unterschiedliche Gruppen an Bestäubern bereitzustellen. Es ist jedoch notwendig naturnahe Gestaltungskonzepte zu etablieren, ein breites Angebot an diversen Blühpflanzen zur Verfügung zu stellen und auch kleine Freiflächenbereiche in dieser Form zu nutzen. Basierend auf diesen Ergebnissen fordern wir ein integriertes Management städtischer Freiräume unter besonderer Berücksichtigung der Habitatfunktion für bestäubende Insekten. Städtische Parks sollten in Planungskonzepten entsprechend ihrer Rolle als Schlüsselhabitate für Bestäuber in anthropogen geprägten Umgebungen Berücksichtigung finden. Die empirischen Daten aus den Bestäubungsuntersuchungen für Strukturelemente der Grünflächen wurden anschließend in ein Bayessches Belief Netzwerk integriert. Auf diese Weise konnten für die generierten Bestäubungsleistungs-Indikatorwerte aus dem multidimensionalen Bewertungsansatz eine Aktualisierung der unterliegenden Verteilung basierend auf diesen erhobenen Freilanddaten vorgenommen werden. Der vorgestellte Einsatz des Bayesschen Belief Netzwerks stellt eine vielversprechende Anwendungsmöglichkeit dieses statistischen Modells dar, um empirische Daten in Bewertungs- und Entscheidungsprozesse zur Planung städtischer Grünflächen zu berücksichtigen. Diese Methodik könnte das Management und die Kommunikation von Gestaltungsentscheidungen für städtische Mitarbeiter und Stadtplaner auf Basis wissenschaftlicher Ergebnisse vereinfachen. Der generierte Ansatz zur multidimensionalen Betrachtung von anthropogen geprägten Freiflächen wurde in einem weiteren Schritt auf den Bereich der Erzeugung erneuerbarer Energien in der Agrarlandschaft übertragen. Somit konnte die etablierte sozial-ökologische Vorgehensweise in einem weiteren Kontext erprobt werden. Die Untersuchung veranschaulicht die Bedeutung einer fundierten, ökologischen Basis für soziokulturelle Akzeptanzanalysen. Zudem wird exemplarisch ein integriertes Modell präsentiert, bei dem Energieerzeugungsszenarien sowohl aus ökologischer, als auch aus sozialer Sicht bewertet werden. Zudem unterstreicht diese Fallstudie die Bedeutung integrierter Methoden für die Gestaltung nachhaltiger Prozesse in anthropogen geprägten Landschaften, den jeweiligen Gesellschaften und Ökosystemen. Diese Dissertation besitzt eine ökologische Identität, die jedoch proaktiv in einen transformativen Wissenschaftsansatz integriert wurde: Es wurden also einerseits ökologische Muster und Prozesse, insbesondere im Bereich der Bestäubungsinteraktionen in Städten untersucht und spezifische, ökologische Indikatoren abgeleitet und verwendet. Auf der anderen Seite wurde im Rahmen dieser Arbeit allerdings auch ein besonderes Augenmerk auf die Integration der ökologischen Erkenntnisse in eine ganzheitliche, multidimensionale Gesamtbetrachtung gelegt. Ökologische Aspekte sollten nachvollziehbar in einen größeren Gesamtkontext eingeordnet werden. Aus diesen Betrachtungen konnte schlussendlich die Erkenntnis abgeleitet werden, dass praktische Erfahrungen und Schlussfolgerungen aus der Forschung nur in diesem transformativen Bezugssystem eine gesamtgesellschaftliche Relevanz erhalten. Erkenntnisse aus den wissenschaftlichen Untersuchungen können so praktisch und unmittelbar in Planungs- und Managementprozessen integriert und umgesetzt werden.

Einrichtungen

  • Fachgruppe Biologie [160000]
  • Lehrstuhl für Umweltbiologie und -chemodynamik [162710]

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