Potential and challenge : biomarker response analyses in environmental risk assessment - case studies with fish

  • Potenzial und Herausforderung: Biomarkerantworten in der Umweltrisikobewertung - Fallstudien mit Fischen

Deutschmann, Björn; Hollert, Henner (Thesis advisor); Schäffer, Andreas (Thesis advisor)

Aachen (2020)
Doktorarbeit

Dissertation, RWTH Aachen University, 2020

Kurzfassung

Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der Europäischen Union ist das Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des EU-weiten Wasserqualitätsmanagements mit dem Ziel, alle Gewässer in einen qualitativ guten Zustand zu bringen und diesen langfristig zu erhalten. Das bedeutet, dass ein guter chemischer und mengenmäßiger Zustand beim Grundwasser und ein guter chemischer und ökologischer Zustand bei den Oberflächengewässern erreicht werden soll. Aufgrund dieser (verbindlichen) Zielsetzung kann die WRRL als ein visionäres Instrument der Umweltgesetzgebung angesehen werden. Den WRRL-Vorgaben entsprechend, müssen die einzelnen Staaten ihre Oberflächengewässer hinsichtlich der vorgegebenen Ziele in Monitoring-Programmen untersuchen. Die letzten beiden Runden der umgesetzten Monitoring-Programme haben gezeigt, dass die Oberflächengewässer innerhalb der Europäischen Union die Vorgaben der WRRL zu großen Teilen nicht erfüllen, da sie keinen guten chemischen und/oder ökologischen Zustand aufweisen. Die Methoden, welche gemäß WRRL für das Monitoring zur Verfügung stehen, werden aktuell kritisch diskutiert und als nicht ausreichend angesehen, um damit die wichtigsten toxischen Substanzen für aquatische Organismen zu identifizieren oder um einen Zusammenhang zwischen chemischer Exposition mit biologisch aktiven Substanzen und ihren adversen Auswirkungen auf Populationen und Lebensgemeinschaften von Organismen herzustellen. Dies wäre jedoch wesentlich für die Erreichung von guten Wasserqualitäten. Chemikalien können über eine Reihe verschiedener Eintragspfade in die aquatische Umwelt gelangen. Sie sind überwiegend anthropogenen Ursprungs, wobei Medikamente, Alltags- und Körperpflegeprodukte, Chemikalien aus der Landwirtschaft und Industriechemikalien den größten Anteil der Belastungen in der Umwelt darstellen. Die vorhandenen Konzentrationen der Einzelsubstanzen sind dabei häufig sehr gering und überschreiten nicht die in Oberflächengewässern maximal erlaubten Stoffkonzentrationen. Interessanterweise kann dennoch häufig ein ökotoxikologisches Potenzial in Wasserproben nachgewiesen werden, wenn diese in Effekt-basierten Biotests untersucht werden. Diesen Effekt nennt man auch den "etwas von nix"-Effekt. In 2019 steht die Neubewertung der WRRL an. Hierbei sollen basierend auf den Ergebnissen verschiedener Forschungsprojekte (z.B. das EU-Projekt SOLUTIONS und das NORMAN Network) einheitliche Methoden in die WRRL eingebracht werden, welche besser geeignet sind den Herausforderungen des ökologischen Wasserqualitätsmanagements zu entsprechen, um einen ganzheitlichen und lösungsorientierten Ansatz zu finden. Für den Schutz der aquatischen Umwelt vor adversen Effekten durch Schadstoffe in der Umwelt wird gefordert, dass integrative Ansätze in der Umweltforschung mehr Beachtung erhalten sollten. Das würde genau genommen einen Paradigmenwechsel in der europäischen Umweltgesetzgebung darstellen. Im EU-Projekt SOLUTIONS wurden zum Beispiel 10 Empfehlungen für zukünftige Monitoringaktivitäten innerhalb der WRRL erarbeitet, bei denen die Einführung von Effekt-basierten Testsystemen (Biomarker und Bioassays) einen zentralen Punkt darstellt. Ein großer Nachteil des derzeitigen Konzepts der maximal erlaubten Stoffkonzentrationen ist, dass diese keine Effekte mehrerer Substanzen (mixture effect) abbilden können. Dies stellt ein Problem dar, da die Umweltwissenschaft in der aquatischen Umwelt mit einer hohen Anzahl verschiedener Substanzen konfrontiert ist und die Effekte dieser Substanzen zumeist kumulierend sind. Effekt-basierte Grenzwerte könnten ein korrespondierendes Werkzeug darstellen und chemisches und ökologisches Monitoring ergänzen, um das toxische Potenzial von chemischen Mixturen besser bewerten zu können und Standorte für notwendige, tiefergehende Untersuchungen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang können Biomarkeranalysen in Fischen dabei helfen, dass beobachtete Schädigungspotenzial der an diesen Standorten vorhandenen Schadstoffe unter realistischen Expositionsszenarien zu verifizieren. In der Umweltrisikobewertung nehmen Fische eine prominente Rolle ein. Fische haben hoch permeable Oberflächen und nehmen deswegen große Mengen an chemischen Substanzen auf, welche in großen Mengen akkumulieren, ihr Lebensraum ist das schadstoffbelastete Medium, sind sensitiv für verschiedenste biologische Endpunkte und spielen insbesondere für ökonomische und menschliche Gesundheitsaspekte eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund stellen Fische innerhalb der WRRL auch eines der vier zu bewertenden ökologischen Qualitätskomponenten dar. Analysen mit Biomarkern wurden traditionell zur Bewertung von Punktquellen von Schadstoffen eingesetzt. Inzwischen werden sie aber auch immer häufiger bei großflächigen Monitoring-Programmen angewendet, um das toxische Potenzial entlang eines Gradienten zu ermitteln. Mit Biomarkern kann nachgewiesen werden, dass Schadstoffe von einem Organismus aufgenommen, diese im Organismus verteilt wurden und dass an dem Zielort der Chemikalie Wechselwirkungen mit biologischen Strukturen erfolgen. Somit können Biomarker als Frühwarnsysteme auf niederer biologischer Ebene angesehen werden, bevor adverse Effekte auf der Ebene von Populationen und Gemeinschaften erfolgen. Die möglichen Endpunkte sind dabei sehr vielfältig und reichen von messbaren molekularen Aktivitäten, bis hin zu Schädigungen auf histopathologischer Ebene. Mit Hilfe dieser Endpunkte konnte in verschiedenen Untersuchungen erfolgreich ein toxikologisches Potenzial an den Versuchsstandorten nachgewiesen werden. Durch die veränderten Anforderungen an Biomarkeranalysen in großangelegten Untersuchungen gerieten die Limitierungen dieser Untersuchungen immer mehr in den Fokus. Die Ergebnisse sind häufig nicht leicht zu interpretieren oder gar widersprüchlich und es sind Methoden notwendig, welche sie im Rahmen von Umweltrisikobewertungen zu einem verlässlicheren Werkzeug machen. In der Tat haben Untersuchungen mit Biomarkern ein großes Potenzial und in Kombination mit Adverse Outcome Pathways (AOPs) werden Biomarkerantworten zukünftig stärker mit adversen Effekten in der Umwelt verknüpft werden können. Schon heute können Biomarker wichtige Informationen innerhalb eines Weight of Evidence (WOE) Ansatzes liefern und die ermittelten Daten als Bindeglied zwischen chemischem Monitoring und ökologischen Bestandsaufnahmen genutzt werden. Biomarkeranalysen wurden in der Vergangenheit erfolgreich mit verschiedenen Studienschwerpunkten durchgeführt. Dennoch zeigte sich, dass Biomarkeranalysen häufig nicht in der Lage sind ein Schädigungspotenzial nachzuweisen und die Gründe dafür gilt es zu untersuchen. Potenzielle Aspekte, die Biomarkeranalysen beeinflussen sind das Study Setup, die Größe des Fließgewässers, die untersuchte Fischart oder die Verwendung von Biomarkerendpunkten, welche nicht den speziellen Anforderungen entsprechen. Obwohl die Verwendung von Biomarkern als Effekt-basierte Testmethode innerhalb der WRRL vorgeschlagen ist, gibt es immer noch einen Bedarf an standardisierten Guidelines und Empfehlungen für den sinnvollen Einsatz von Biomarkern in der Umweltrisikobewertung. In dieser Dissertation wurden drei Fallstudien genutzt, um die Anwendbarkeit von Biomarkeranalysen in Fischen für die Umweltrisikobewertung zu untersuchen. Es wurden Untersuchungen mit verschiedenen Versuchsansätzen in Bezug auf die Größe der untersuchten Fließgewässer, unterschiedliche Fischarten und auf die Schadstoffquellen durchgeführt. Das Ziel dieser Arbeit war es (1) die Evaluierung der Wasserqualität eines großen Fließgewässers mit Hilfe etablierter Biomarkerendpunkte zu untersuchen (2) die Ermittlung etwaiger Limitierungen bei der Bewertung der Biomarkerdaten (3) und das Bereitstellen von Lösungen für die Beseitigung von Unsicherheiten. Im Rahmen der Donau-Expedition Joint Danube Survey 3 (JDS3) wurde eine großräumige Untersuchung mit zwei unterschiedlichen Fischarten durchgeführt, um Hotspots in Bezug auf das Schädigungspotenzial auf Fische entlang der Donau zu ermitteln. In der Summe zeigte sich, dass wir mit unseren Untersuchungen diese Hotspots nicht nachweisen konnten und dass Werkzeuge für eine ganzheitliche Bewertung der Biomarkerantworten notwendig sind. Die Besonderheit an dieser Studie war, dass es sich bei der Donau um ein sehr großes Fließgewässer mit einem hohen Verdünnungspotenzial handelt und Genexpressionsanalysen und enzymatische Endpunkte zeigten keine Effekte aufgrund der geringen Kontaminationen der Donau. Im Gegensatz dazu konnten DNA Schädigungen in Erythrozyten von Fischen nachgewiesen und mit ungeklärten Abwässern in einem Zufluss der Donau in Verbindung gebracht werden. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass für die Bewertung geringer Belastungspotenziale kumulative Endpunkte, wie z.B. der Mikrokerntest oder histopathologische Untersuchungen, besser geeignet sind. Die Untersuchung des Einflusses auf die lokale Organismengemeinschaft von Abwässern wurde mit wild gefangenen und in Käfig exponierten Fischen untersucht. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die untersuchten biologischen Endpunkte geeignet für die Bewertung kleinerer Fließgewässer waren. Dies gilt sowohl für die künstlich exponierten als auch wild gefangenen Fische. Ein elementarer Nachteil bei der Auswertung von Biomarkerdaten ist, dass diese häufig eine hohe Variabilität innerhalb einer Versuchsgruppe aufweisen. Aus diesem Grund wurde ein Aggregated Biomarker Response (ABR) Konzept entwickelt, welches zukünftig zur Bewertung der Gesamtheit der Biomarkerantworten auch für Nicht-Experten möglich machen könnte. Für eine umfangreiche Bewertung von Biomarkern und zur Etablierung von Ursache-Wirkungsbeziehungen-Beziehungen wurden univariate und multivariate statistische Methoden verwendet, um die Biomarkerantworten mit der Präsenz von Schadstoffgruppen an diesen Standorten zu korrelieren. Obwohl das Schädigungspotenzial der untersuchten Gesamtheit der Chemikalien relativ gering war, konnte aufgezeigt werden, dass diese Methoden geeignet sind, um die schädlichsten Substanzgruppen für aquatische Organismen zu identifizieren. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass durch Abwasser die Expression verschiedener Gene erhöht wurde und diese Analysemethode geeignet ist, um weitere relevante biologische Endpunkte zu benennen. Durch die stetige Entwicklung des Konzeptes der Adverse Outcome Pathways (AOPs) werden Biomarkerantworten zukünftig mit Effekten auf höheren biologischer Ebene in Verbindung gebracht werden können, was die biologische Relevanz von Biomarkeranalysen in der Umweltrisikobewertung erhöhen wird. Die Ergebnisse der vier Fallstudien haben aufgezeigt, dass Biomarkeranalysen eine Herausforderung darstellen können und dass es einen Bedarf an zusätzlichen Methoden gibt, um Biomarkeranalysen im Rahmen von Umweltbewertungen und Wasserqualitätsmanagement verlässlicher zu machen. Festzuhalten bleibt, dass Biomarkeranalysen noch nicht ihr volles Potenzial ausgeschöpft haben und zukünftig innerhalb der WRRL eine gewichtige Rolle spielen werden.

Einrichtungen

  • Fachgruppe Biologie [160000]
  • Lehrstuhl für Umweltbiologie und -chemodynamik [162710]

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