Bakterielle Genotoxizitätstests im Rahmen des gefährdungsbasierten Risikomanagements für Trinkwasser relevante Spurenstoffe
- Bacterial genotoxicity tests within the framework of hazard-based risk management for drinking water relevant trace substances
Buchner, Eva-Maria; Hollert, Henner (Thesis advisor); Schäffer, Andreas (Thesis advisor)
Aachen (2020)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2020
Kurzfassung
Aufgabenstellung: Mit Blick auf den gesamten Wasserkreislauf muss eine sichere Bewertung von fraglichen Einzelsubstanzen und realen Wasserproben der Trinkwasserversorgung sichergestellt sein. Ein entsprechendes endpunktbezogenes Testsystem für die Bewertung entsprechender Stoffe bzw. Proben auf ihr toxikologisches Gefährdungspotenzial ist ein wichtiger Schritt zur Festigung des toxikologischen Bewertungsprozesses, speziell für den schnellen und sicheren Ausschluss eines humantoxikologisch relevanten genotoxischen Potenzials. Die Haupt-aufgabenstellung der Dissertation war es, einen Beitrag für eine ganzheitliche toxikologische Bewertung von anthropogenen Spurenstoffen zu leisten - ebenso für Einzelstoffe sowie Transformationsprodukte und Stoffgemische. Im Rahmen dieser Dissertation wurde der Einsatz der beiden bakteriellen Genotoxizitätstests ‚Ames- und umu-Test‘ mit Hinblick auf die Bewertung von Trinkwasserproben weiterentwickelt, mit gentechnisch veränderten Zusatzstämmen ergänzt und erprobt. Aktueller Stand der Wissenschaft Das GOW-Konzept (GOW = gesundheitlicher Orientierungswert) als ein einzelstoffbezogenes Bewertungskonzept benötigt für die toxikologische Bewertung eine gute Datenlage. Weisen die vorhandenen Daten große Lücken auf und kann zudem der Einzelstoff nicht in einer für die toxikologische Untersuchung ausreichenden Menge aus der Wasserprobe isoliert werden, ist die Bewertung der Stoffe schwierig. Das trifft vor allem auf Spurenstoff-Metabolite und Transformationsprodukte (z. B. aufgrund mangelnder Stabilität) zu, die bereits im Rohwasser auftreten oder aber auch erst bei der Wasseraufbereitung (z. B. Chlorung, UV-Behandlung) entstehen können. Auch die Konzentrationslücke zwischen der Wirkschwelle der biologischen Tests und den realen Stoffkonzentrationen im Wasser führt bei der Bewertung der Proben zu Problemen. Um diese Lücke zu schließen, sind verschiedene Anreicherungsverfahren zum Aufkonzentrieren der Spurenstoffe und Transformationsprodukte nötig. Obwohl diese teilweise schon genormt sind, besteht hinsichtlich ihrer Kompatibilität mit biologischen Testverfahren allerdings ein hoher Prüfungs-, Entwicklungs- und Standardisierungsbedarf. Es müssen beispielsweise die physiologischen Rahmenbedingungen und die Wirkschwelle der Testorganismen beachtet werden. Angewandte Methode, Methodenoptimierung und Resultate: Mit den Standardversionen des Ames-Fluktuationstests und des umu-Tests wurden 31 wasserrelevante Einzelsubstanzen getestet. Acht der insgesamt 31 getesteten Stoffe waren in den bakteriellen Tests genotoxisch, aber nur drei von ihnen in beiden Testsystemen. Dies lässt sich wahrscheinlich aufgrund der unterschiedlichen Endpunkte erklären. Bei der Testung mit den jeweiligen Zusatzstämmen, die zusätzliche Säugetierenzyme exprimieren, zeigte sich bei ausgewählten Substanzen, für die die exprimierten Enzyme eine Rolle im Metabolismus spielen, eine deutlich sensitivere genotoxische Reaktion. Die beiden Testsysteme und die entsprechenden Zusatzstämme eignen sich nach einer erfolgreichen Etablierung im Labor für die Untersuchung. Die Tatsache, dass es sich um schnelle, einfache und gut standardisierte Testverfahren handelt, eröffnet die Möglichkeit, dass sich Wasserversorgungsunternehmen in Zukunft aktiv an der Untersuchung trinkwasserrelevanter Stoffe im eigenen Labor beteiligen und somit zum Bewertungsprozess auf der Basis des GOW-Konzeptes wesentlich beitragen können. Weiterhin konnte beispielhaft gezeigt werden, dass durch den ergänzenden Einsatz von gentechnisch veränderten, stoffwechselkompetenten Zusatz-Teststämmen das nachweisbare Spektrum humanrelevanter Genotoxine erweitert und wichtige Hinweise auf Wirkmechanismen der getesteten Substanzen gewonnen werden können. Allerdings war vor dem Einsatz dieser Zusatzstämme die Etablierung der Zusatzstämme im Labor mit teilweisen Modifikationen des Standardprotokolls notwendig (z. B. bakterielle Dichte, Inkubationszeit und Etablierung geeigneter Positivkontrollen). Bei den Untersuchungen der Wasserproben im Rahmen dieser Dissertation zeigten sich Probleme mit den Anreicherungsverfahren und der Stabilität der Transformationsprodukte. Daher wurden verschiedene Wasserkonzentratproben untersucht. Während der Untersuchung zeigte sich die große Bedeutung einer Blindprobe, um falsch positive Ergebnisse aussortieren zu können. Auch die Einhaltung der physiologischen Grenzen der Testorganismen musste auf das Testsystem abgestimmt und ausgetestet werden. Ein weiterer wichtiger Untersuchungsparameter bei realen Wasserproben ist die Wirkschwelle. Die Wirkschwelle der bekannten toxikologischen Testverfahren liegt in der Regel um mehrere Größenordnungen oberhalb des für potenzielle Mikrokontaminanten bewertungsrelevanten Konzentrationsbereiches im Trinkwasser und so mussten diese Mikrokontaminanten über geeignete Anreicherungsverfahren aufkonzentriert werden. Auch musste darauf geachtet werden, dass die Untersuchungen im Labor zur Bewertung der Extrakte auf die Realität übertragbar sind. Durch Untersuchungen im Labormaßstab können die Bedingungen von denen in der realen Umwelt abweichen und zu Ergebnissen führen, die eventuell für die Realität nicht relevant sind. Werden diese Rahmenbedingungen (geeignete Blindprobe, Einhaltung der physiologischen Toleranzen, Wirkschwelle und Übertragung vom Labormaßstab auf reale Umweltbedingungen) alle beachtet, ist die generelle Eignung der Anreicherungsverfahren für die Bewertung gesichert und die Wirkschwelle des Testsystems wird erreicht. Dies ist für die Bewertung des Parameters ‚Genotoxizität‘ von großer Wichtigkeit, um belastbare Aussagen zum toxikologischen Potenzial des Konzentrats zu bekommen. Resümee: Diese Ergebnisse aus dem Dissertationsprojekt trugen zur Festschreibung einer Bewertungsstrategie zur Früherkennung humanrelevanter Genotoxine bei. Die beiden bakteriellen Genotoxizitätstests konnten gemeinsam mit dem Mikrokerntest als Bestandteile einer Basis-Testbatterie im Sinne einer ersten Bewertungsstufe empfohlen werden. Insgesamt konnte durch diese Untersuchungen gezeigt werden, wie wichtig und gleichzeitig komplex eine Bewertung von trinkwasserrelevanten Stoffen bzw. Konzentraten ist. Um eine verlässliche Aussage über das genotoxische Potenzial der Proben machen zu können, müssen die Rahmenbedingungen der Testsysteme eingehalten werden. Die beiden untersuchten biologischen Genotoxizitätstests, umu-Test und Ames-Test, ermöglichen eine schnelle Einstufung von bisher nicht bewerteten Stoffen. Durch die Erweiterung der Testung mit stoffwechselkompetenten Teststämmen kann man Hinweise auf mögliche Wirkmechanismen gewinnen. Somit kann eine sichere Trinkwasserversorgung gewährleistet und hierzu auch ein Beitrag von kleineren Labors der Wasserversorger direkt geleistet werden.
Einrichtungen
- Fachgruppe Biologie [160000]
- Lehrstuhl für Umweltbiologie und -chemodynamik [162710]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2020-07830
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2020-07830