The aryl-hydrocarbon receptor pathway during early development of the zebrafish : assessing transcription, formation and activity of receptor-related proteins after exposure to four compounds with dioxin-like mode of action
Meyer-Alert, Henriette; Hollert, Henner (Thesis advisor); Schäffer, Andreas (Thesis advisor); Keiter, Steffen (Thesis advisor)
Aachen (2020)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2020
Kurzfassung
Im Rahmen der standardisierten Chemikalientestung und -bewertung haben in den letzten Jahren Testmethoden, die Alternativen zu konventionellen Tierexperimenten darstellen, stark an Bedeutung gewonnen. Unter anderem wurde versucht, den Test auf akute Toxizität an Fischen durch den embryonalen Fischeitest (FET), der frühe Entwicklungsstadien nutzt, zu ersetzen. 2013 wurde der FET in einer OECD Guideline (Nr. 236) verankert und fungiert seither als präferierte Variante des Tests. Die Korrelation von embryonalen und adulten Toxizitätsdaten ist in vielen Studien gezeigt worden. Nichtsdestoweniger konnten dabei nicht alle Typen von Substanzen verlässlich vorhergesagt werden, da der Embryo ein dynamisches System darstellt, in dem die toxische Antwort des Organismus möglicherweise noch nicht der von adulten Individuen entspricht. Molekulare Signal-wege sind noch nicht vollständig entwickelt und einzelne beteiligte Enzyme werden zu limitierenden Faktoren durch die Konkurrenz zwischen Schadstoffreaktionswegen und Entwicklungsprozessen. Die vorliegende Arbeit hat den Signalweg des Arylhydrokarbon-Rezeptors (AHR) im embryonalen Zebrabärbling (Danio rerio) zum Gegenstand. Der AHR funktioniert als Transkriptionsfaktor für viele verschiedene Gene, u. a. P450 Cytochrome (CYP), die wesentlich am Metabolismus xenobiotischer Schadstoffe beteiligt sind. Dementsprechend stehen bei den im Folgenden dargestellten Experimenten die Fragen im Focus, (1) ob sich die Transkription je nach Art einer eingesetzten Chemikalie verändert, (2) ob die auf DNA-Ebene beobachteten Effekte auf die höheren biologischen Ebenen der Proteinbildung und Enzymaktivität übertragen werden können und (3) wie die Embryonalentwicklung diese Prozesse beeinflusst. Liganden des AHR sind Dioxine und Substanzen mit dioxin-ähnlicher Wirksamkeit; dazu gehören umweltrelevante Chemikalien wie polyaromatische Kohlenwasserstoffe (PAH), NSO-Heterozyklen (NSO-Het) und polychlorierte Biphenyle (PCB). Vier Vertreter aus diesen Stoffklassen wurden für die hier vorgestellten Experimente ausgewählt: Beta-Naphtoflavon und Benzo-a-Pyren als PAH, PCB126 als potentestes PCB und 2,3-Benzofuran als NSO-Het. Embryonen des Zebrabärbling wurden gegenüber diesen Substanzen exponiert, von 6 bis 118 Stunden nach der Befruchtung (hpf). Alle Cofaktoren, die in den Signalweg des AHR involviert sind (AHR selbst, AIP, ARNT und HSP90β), die Cytochrome CYP1a, CYP1b, CYP1c1 und CYP1c2 sowie der Repressor des Rezeptors (AHR-R) wurden hinsichtlich ihrer Transkription in engen Zeitintervallen (alle vier Stunden) während der frühen Embryonalentwicklung untersucht. In unbehandelten Embryonen konnte ein distinktes Expressionsmuster für alle AHR-abhängigen Gene gemessen werden. Der Verlauf der Chemikalien induzierten Expression variierte in Abhängigkeit von der applizierten Substanz und ihren entsprechenden Eigenschaften (Hydrophobizität, Planarität, Abbaubarkeit). Keiner der Cofaktoren zeigte eine Veränderung der Transkriptmengen nach Exposition. Neben der Transkription wurde auch die korrespondierende Proteinmenge von cyp1a, dem am höchsten substanz-induzierten Gen, in einem eigens entwickelten ELISA untersucht. Keine der verwendeten Chemikalien konnte hier signifikante Veränderungen während der Embryonalentwicklung hervorrufen. Mit dem EROD-Assay, der die Aktivität aller Enzyme mit Deacetylase-Charakter (u. a. CYP1a) erfasst, wurde die nächst-höhere biologische Ebene erfasst. Hier konnte nur PCB126 nach dem Schlupf (62 hpf) erhöhte Werte induzieren. Experimente mit derselben Substanz an einer Leberzell-Linie des Zebrabärblings (ZF-L) unter ähnlichen Expositionsbedingungen zeigte eine geringe Vergleichbarkeit bezüglich der Transkriptionsergebnisse für alle AHR-abhängigen Gene. Die Cofaktoren des Signalweges waren aber auch hier unbeeinflusst. Weiterhin wurde eine Transkriptomstudie zu den Zeitpunkten 12, 48 und 96 hpf durchgeführt, um Signalwege zu identifizieren, die in unbehandelten Embryonen entwicklungsbedingt reguliert sind. Eventuelle Wechselwirkungen mit dem AHR-Signalweg kommen als Toxizitäts-mechanismen nach Chemikalienexposition in Frage. Eine Transkriptomanalyse von PCB126 exponierten Embryonen zeigte Prozesse auf, die neben dem Fremdstoffmetabolismus durch die Substanz modifiziert wurden. Neben sehr grundlegenden Zellfunktionen wurden vor allem Signalwege gefunden, die in die Entwicklung der Muskeln, der Wirbelsäule, des Nervensystems sowie des Auges involviert sind. Ihre Dysregulierung durch PCB126 kann die Ursache für viele Missbildungen sein, die in vorangegangen Studien schon beobachtet wurden. Eine Verbindung zum AHR war aber in den meisten Fällen nicht offensichtlich. Insgesamt führen die Ergebnisse zu der Schlussfolgerung, dass nicht die Bindung eines Liganden durch den AHR allein entscheidend für die toxische Antwort im embryonalen Zebrabärbling ist. Da die starke Reaktion auf Transkriptionsebene weder auf die Proteinebene noch auf die Enzymaktivität übertragen werden konnte und die Induktionsmuster nach Gen und Substanz differierten, muss angenommen werden, dass die applizierten Substanzen, ihren Eigenschaften entsprechend, zusätzlich zu den CYP, auch wesentliche Regulationsmoleküle wie Kinasen u. a. in ihrer Aktivität beeinflussen. Weiterhin hat sich der Schlupf als entscheidender Einschnitt im Verlauf der Embryonalentwicklung dargestellt. Die aktuelle Studie zeigt, dass standardisierte Testverfahren in alternativen Systemen, die frühe Entwicklungsstadien oder Zellkulturen nutzen, hinsichtlich ihrer Verlässlichkeit überprüft werden müssen. Der Zebrabärbling sollte erst ab 48 hpf, dem Beginn des Schlupfes, verwendet werden, um eine hohe Vergleichbarkeit zu Ergebnissen mit adulten Tieren zu erzielen. Weiterhin müssen Endpunkte wie subletale Missbildungen, AHR-abhängige Geninduktion und EROD-Aktivität bezüglich ihrer Aussagekraft überdacht werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Dissertation zeigen, dass keiner dieser Endpunkte allein geeignet ist, um die Toxizität einer Substanz mit dioxin-ähnlicher Wirksamkeit verlässlich abzuschätzen. Für eine probate Risikobewertung müssen die molekularen Mechanismen des AHR-Signalweges sowie seine wechselseitigen Interaktionen mit anderen Signalwegen und besonders mit Entwicklungsprozessen im Detail verstanden und weiterhin Gegenstand intensiver Forschung sein, damit Embryonen als verlässliche Quelle zur Vorhersage von toxischer Wirkung genutzt werden können.
Einrichtungen
- Fachgruppe Biologie [160000]
- Lehrstuhl für Umweltbiologie und -chemodynamik [162710]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2020-08573
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2020-08573