Metabolic fate studies of $^{14}$C-radiolabeled pesticides in water-sediment / soil systems under different conditions : (supplemented by a case study with societal aspect)

  • Metabolismus-Studien zu radioaktiv mit $^{14}$C markierten Wirkstoffen in Wasser-Sediment- bzw. in mit Wasser überschichteten Boden-Test-System unter verschiedenen Bedingungen : (ergänzt um eine Fallstudie mit sozialem Aspekt)

Yuan, Ye; Schäffer, Andreas (Thesis advisor); Hollert, Henner (Thesis advisor)

Aachen : RWTH Aachen University (2021)
Doktorarbeit

Dissertation, RWTH Aachen University, 2021

Kurzfassung

Fundierte Kenntnisse über das Verhalten anthropogener Substanzen sind nicht nur eine Grundvoraussetzung für die Risikobewertung betroffener Ökosysteme, sondern auch von großer Bedeutung für die darin lebenden, direkt oder indirekt damit interagierenden Menschen. Da entsprechende integrative Konzepte bisher kaum untersucht wurden, ist in der vorliegenden Arbeit das sog. "Fate" Modul von Substanzen erweitert worden, um auch soziale Aspekte von landwirtschaftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmittelprodukten (PPPs) vor Ort berücksichtigen zu können. Dazu wurden in einem ausgewählten Reisanbaugebiet ergebnisoffene Interviews mit betroffenen lokalen Bauern, Inhabern kleinerer und größerer Einzelhandelsgeschäfte bis hin zu Großhändlern geführt. Da die Wirklichkeit vor Ort vom Zusammenspiel verschiedenster Beteiligter und deren sozialen Beziehungen untereinander beeinflusst wird, sollten entsprechende Risiko-Nutzen-Kosten Abschätzungen einer PPP-Anwendung in der notwendigen Tiefenschärfe untersucht und bewertet werden. Als Ziel sollten daraus Ratschläge und Vorgaben für eine verbesserte Entscheidungsfindung entwickelt werden, um zu praktikablen "Win-Win" Lösungen für alle Beteiligten kommen zu können. Aus dem chemischen Teil dieser Arbeit haben wir für ausgewählte Beispiele von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, dem Organochlorinsektizid DDT, den Herbiziden Clodinafop-propargyl (CfP) und Propanil sowie dessen Abbauproduktes 3,4-DCA, lernen können, dass Abbauwege und -raten solcher Aktivsubstanzen in sog. Wasser-Sediment- bzw. Boden-Wasser-Testsystemen angemessen und valide erarbeitet werden können, wenn durch Simulation aerober Bedingungen im Labormaßstab (ohne Lichteinfluss) 14C- (also radioaktiv-) markierte Testsubstanzen eingesetzt werden. Solche Untersuchungstechniken erlauben es für jedes Probenahme-Intervall, vollständige Materialbilanzen aufzustellen, einschließlich der Erfassung flüchtiger Abbauprodukte (besonders auch die mögliche Mineralisierung bis zu 14CO2), des Anteils applizierter Radioaktivität (AR) in der Wasserphase, sowie die extrahierbaren und nicht extrahierbaren Rückstände (NER) im Sediment- bzw. Boden. Andererseits bestätigten im Folgenden beschriebenen experimentelle Ergebnisse auch, dass eine angemessen repräsentative Simulation der landwirtschaftlichen Praxis essenziell für die Gesamtaussage eines Labortestes ist. Der Abbau von [phenyl-UL-14C]Clodinafop-propargyl (14C-CfP) in einem Wasser- Sediment-Testsystem aus dem Rhein führte hauptsächlich zu NER (ca. 34% AR am Tag 28 nach Applikation, T-28), welche überwiegend mit Fulvinsäure(FS)- und Humin/Mineral(HU)- Fraktionen assoziiert war. Gleichzeitig waren die 14C-Anteile in Form von Nicht-Huminen (NH) und Huminsäuren (HS) gering. Die Mineralisierung der gewählten 14C-Markierungsposition war von untergeordneter Bedeutung und erreichte nur etwa 5% AR. In der Wasserphase nahm die Radioaktivität bis T-28 auf 18.5% AR ab. Bereits nach 2 Tagen konnte fast die ganze im System gemessene Radioaktivität dem Clodinafop (Cf, >99% AR) zugewiesen werden, was auf eine sehr rasche hydrolytische Ester-Spaltung von CfP deutete. Folglich war Cf der einzige primäre Metabolit der eindeutig in Wasserphase und Sedimentextrakten identifiziert wurde (max. 53% AR an T-28). Die Zeit, in der die Hälfte verschwand (DT50) von CfP bzw. Cf war etwas weniger als 1 Tag bzw. leicht über 28 Tagen. Eine entsprechende Untersuchung von [phenyl-UL-14C]DDT in einem Wasser/ Sediment-Testsystem vom Rhein zeigte nur eine sehr niedrige Mineralisierung zu 14CO2 (<0.02% AR) sowie einen nur mäßigen Einbau in NER (max. 8.65% AR) über die gesamte Versuchsdauer von 14 Tagen. Gleichzeitig nahm aber die gemessene Radioaktivität in der Wasserphase sehr schnell bis auf 1.9% AR an T14 ab, während jene in der Sedimentphase sehr schnell auf 56.7% AR (schon nach 4 Std.) und auf 93.8% AR nach 14 Tagen anstieg. Die Analysen zeigten, dass sich DDT sehr schnell aus der Wasser- in die Sediment-Phase verteilte (84.4% AR an T-14), und Metaboliten nur in sehr geringen Mengen detektiert wurden. Insgesamt wurde durch die vorliegende Arbeit bestätigt, dass DDT in einem aquatischen Wasser/Sediment- Testsystem sehr persistent ist, und die Sedimentphase als hauptsächliche Senke und wichtigstes Medium für dessen Risikobewertung gelten muss. Die Untersuchung von [phenyl-UL-14C]Propanil in einem Wasser/Sediment- Testsystem vom Rhein zeigte dagegen nur eine mäßige Adsorption von Radioaktivität am Sediment, die Bildung von NER stieg auf 20.1% AR, und die Mineralisierung zu 14CO2 von 0.12% AR bis zum Ende der Inkubation an Tag 28 war sehr gering. Es bestätigte sich, dass Propanil, eine wenig bis mäßig mobile und wasserlösliche Substanz, sehr schnell im Wasser-Sediment-Testsystem unter Bildung von Metaboliten abgebaut wird, die in der Sedimentphase zu finden sind. Im Wasser nahm Propanil linear von 75.6 auf 0.12% AR bis zum Studienende ab. Deutliche Anteile des Hauptmetaboliten 3,4-DCA wurden ab dem Tag 4 gemessen. Er nahm schnell bis auf 27.3% AR an Tag 7 zu und danach auf 9.3% AR bis zum Tag 28 ab. Insgesamt wurde eine etwas unbefriedigende Massenbilanz über alle Intervalle festgestellt (nur zwischen 65 und 82% AR), was darauf hindeutete, dass Verluste an Radioaktivität aus dem Testsystem oder während der Probenerstellung vorgekommen sind. Durch eine Verbesserung der Aufarbeitungsmethodik konnten diese Verluste jedoch bei der Durchführung der nachfolgenden Studie weitgehend vermieden werden. Bei dieser wurde das Verhalten von Propanil unter näher an der landwirtschaftlichen Praxis liegenden Testbedingungen untersucht. Dabei wurde das Herbizid Propanil, welches bei der Rohrreis-Kultivierung in Asien weit verbreitetet eingesetzt wird, als Projekt-Modellsubstanz für die Laborsimulation einer realistischen Fluktuationszonen-Situation in dem "Three Gorges Reservoir" (TGR) Bereich in China ausgewählt. [phenyl-UL-14C]Propanil wurde auf einen noch trockenen Reisanbauboden appliziert, der bereits in der Trockenzeit aus der TGR-Gegend am Yangtze entnommen wurde. Dies stellt einen Unterschied zu den Wasser-Sediment-Testsystem-Experimenten dar, bei denen der Wirkstoff ins Wasser appliziert wird, um einen Eintrag von Stoffen über Drainage oder Spritzmitteldrift in ein Gewässer zu simulieren. Die Bedingungen eines Überstaus mit Wasser wurden dann erst während des Abbautestes simuliert. Die Validität der eingesetzten Methodik wurde durch eine ansprechend hohe Massenbilanz bestätigt. Die extrahierbaren Rückstände (ER) nahmen von 75.7% AR (nach 4 Std) bis auf 22.4% AR am Studienende (T-92) ab, während die NER fortwährend bis zu einem vergleichsweise hohen Anteil von 59.3% AR anstiegen. Jedoch war die Mineralisierung zu 14CO2 nur sehr gering, möglicherweise weil die verwendete 14C-Markierung über dessen entstehenden 14C-Anilinbaustein die Bildung von NER stark förderte. Von Anilinen ist bekannt, dass sie stark an Boden-/Sediment-Matrix gebunden werden können. Durch den Einsatz der "High-Performance Size-Exclusion Chromatography" (HPSEC) konnte herausgefunden werden, dass von jener Radioaktivität, die mit der isolierten FA Fraktion der NER assoziiert ist, angenommen werden kann, dass sie co-valent an die organischen Bestandteile des Reisbodens gebunden ist. Insgesamt wurde durch die Experimente bestätigt, dass Propanil sehr wenig persistent ist, denn es wurde eine DT50 zwischen 4 Std. und 2 Tagen festgestellt. Als hauptsächliche Senke von [phenyl-UL-14C]Propanil erwiesen sich die NER. Weiterhin bestätigten die Ergebnisse der praxisrelevanten Simulation von Bodenüberflutung nach 30 - 60 Tagen, dass eine Re-Mobilisierung signifikanter Anteile von Wirkstoff oder Metaboliten ins überstehende Wasser nicht vorkommt. Nur geringe Mengen an Propanil (max. 3.6% AR), an 3,4-DCA (ca. 1.4% AR) und an Anderen (<1% AR in Summe) konnten in der Wasserphase gemessen werden, denn die Hauptanteile verblieben in der festen Phase des überstauten Bodens. Daraus kann geschlossen werden, dass bei einer sachgerechten Anwendung von Propanil im Rohrreisanbau nur eine relative geringe Kontamination der aquatischen Umwelt zu erwarten ist. Dies lässt den Schluss zu, dass Erkenntnisse zum Propanil-Metaboliten 3,4-DCA aus Wasser/Sediment-Simulationsstudien weniger bedeutsam für die Risikobetrachtung von Propanil sind als bisher angenommen. Deshalb wird hier nur kurz erwähnt, dass mit 14C-3,4-DCA im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls eine 14C-Metabolismusstudie in einem Wasser-Sediment-Testsystem aus einer traditionellen Rohrreisanbaugegend in Nord-Italien durchgeführt wurde. Die Erkenntnisse aus dem chemischen Teil der Arbeiten zum Propanil, vor allem jene, dass Schlussfolgerungen aus den praxisrelevanteren Testsimulationen bei Risiko-Nutzen-Bewertungen sicherlich solchen vorzuziehen sind, die aus weniger passenden Testsystemen stammten, wurden verknüpft mit einem unterstützenden sozial-ökonomischen Teil zum Thema generelle landwirtschaftliche Aktivität und Pflanzenschutzmittelanwendung in der TGR Region in China. Es gibt keinen Zweifel, dass es zu ernsthaften Schäden in der Umwelt oder zu sehr negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit kommen kann, wenn PPPs falsch oder gar illegal benutzt werden. Folglich sind eine geeignete Ausbildung, gut verständliche Informationen und ausreichendes praktisches Training für die Anwender (Bauern, etc.) und nicht nur für die Händler, Verkäufer oder Berater, außerordentlich wichtig. Neben einer ökonomischen Bewertung schließt dies selbstverständlich gute Kenntnisse über sehr wichtige Indikationsparameter (Schadschwellen, Anwendungszeiten und -dosierungen), über persönliche Schutzmaßnahmen für die Anwender (Masken, Handschuhe), Schutz von Passanten (Unbeteiligten) und der Umwelt im Allgemeinen, ein. All dieses gilt ebenso für die Abfallentsorgung und Lagerung von PPPs, um jegliche Kreuzkontaminationen und schlimmere Unfälle zu vermeiden. Somit sind Interviews, wie sie z. B. in dieser Arbeit durchgeführt wurden, sehr wertvolle Werkzeuge um zu erfahren, aufzuzeichnen und schließlich auszuwerten, welche Lücken in Wissen und Praxis existieren, und um langfristig besser zu verstehen, wann, warum und auf welcher Grundlage die Bauern ihre Entscheidungen treffen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass durch alle Studien zum Umweltverhalten von Aktivsubstanzen, die unter Labor-, Semifeld- oder gar Feldbedingungen durchgeführt werden, überwiegend die intrinsischen Stoffeigenschaften erhalten werden, welche die Basis darstellen für eine solide Stoffbewertung. Zusätzlich ist jedoch im Gesamtkontext einer PPP-Anwendung ein besseres holistisches Verständnis der ökonomischen, der Risiko-Nutzen und auch der sozialen Parameter von allen wichtigen Beteiligten nötig, also den Bauern, den nächsten Nachbarn und Verwandten, den eng verbundenen Händlern, Verkäufern und Beratern, bis hin zu den großen Handelsketten, zuletzt natürlich auch den Konsumenten und der Öffentlichkeit (menschliche Dimension der Risiko-Nutzen-Analyse). Die Zusammenhänge zeigen klar, dass multi-disziplinäre Kooperationen nötig sind, damit die wichtigsten Aspekte des Pflanzenschutzes von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet und berücksichtig werden können. Eine Zusammenarbeit und eine Zusammenschau der entsprechenden Natur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sollte deshalb künftig viel öfter angestrebt, bestehende Methoden verbessert, bzw. auch neue Ansätze entwickelt werden, falls solche noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. In der sich rasant ökonomisch und sozial verändernden globalen Landwirtschaft ist sehr viel weitere Arbeit auf diesem Gebiet zu erwarten.

Einrichtungen

  • Fachgruppe Biologie [160000]
  • Lehrstuhl für Umweltbiologie und -chemodynamik [162710]

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