Neuroactive psychotropic drugs in aquatic systems and the co-treatment of non-target organisms

  • Neuroaktive Psychopharmaka in aquatischen Systemen und die Mitbehandlung von Nicht-Zielorganismen

Gundlach, Michael; Hollert, Henner (Thesis advisor); Schäffer, Andreas (Thesis advisor)

Aachen : RWTH Aachen University (2021, 2022)
Doktorarbeit

Dissertation, RWTH Aachen University, 2021

Kurzfassung

Die Frage nach den größten Folgen des menschlichen Einflusses auf Erden für Ökosysteme unterschiedlicher Art, hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte stetig verändert. Eine Momentaufnahme der aktuellen Situation legt vor allem drastische Folgen durch den Klimawandel und den Verlust von unterschiedlichen Arten für das Leben auf der Erde offen und zeigt dabei, wie sehr der Mensch seine Umgebung verändert. Eine in diesem Zusammenhang schwerwiegende, jedoch auf den ersten Blick deutlich weniger sichtbare Gefahr geht von der Verunreinigung der Süßwassersysteme durch Mikroschadstoffe aus. Die daraus resultierenden Folgen führen zu massiven Schäden in aquatischen Artengemeinschaften und besitzen aufgrund der engen Verbindungen auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Es handelt sich dabei um eine inhomogene Gruppe von Kleinstpartikeln und Chemikalien, die die Qualität des Trinkwassers massiv verschlechtern können und die bisher in vielen Fällen durch konventionelle Reinigungsmethoden nur unzureichend eliminiert werden konnten. Eine seit den vergangenen Jahrzehnten produktions- und verwendungstechnisch stetig steigende Gruppe von Mikroschadstoffen sind humane Psychopharmaka. Steigende Belastungen in unterschiedlichen Lebensbereichen lassen Krankheitsbilder wie Depression und Burnout stetig zunehmen, wodurch auch die Verabreichung von neuroaktiv wirksamen Pharmazeutika jährlich zunimmt. Diese Stoffe gelangen abschließend durch Exkretion oder falsche Entsorgung in die aquatische Umwelt und führen dort zu massiven Schäden. Um diesen Folgen entgegenzuwirken existiert eine von der European Medicines Agency formulierte Richtlinie, in der ein zweistufiges Verfahren zur Testung der Umweltgefahr von pharmazeutischen Wirkstoffen eindeutig festgelegt wird. Dieses System basiert jedoch auf einer Auswahl von biologischen Testverfahren die ausschließlich OECD und ISO-validiert sind. Dadurch besitzt dieser Ansatz deutliche Lücken in der Anwendung auf neuroaktiv wirksame Substanzen, da diese im Anwendungsprozess darauf ausgelegt sind bei sehr niedrigen Konzentrationen einen spezifischen Effekt im Nervensystem auszulösen. Die dabei auftretenden Effekte auf molekularer und physiologischer Ebene werden durch die allgemeinen Standardtests nicht einheitlich und detailliert genug aufgenommen, weshalb sie für die Bewertung nicht berücksichtigt werden. Diese bereits in den vergangenen Jahren oftmals aufgezeigte Problematik, wurde bisher noch nicht für die in der Umwelt fast immer auftretenden Substanzmischungen untersucht. Basierend auf einem gestuften Ansatz, wurde dabei die Reinsubstanz Mirtazapin, künstlich hergestellte Mischungen verschiedener neuroaktiver Substanzen, sowie native Proben aus Krankenhausabwasser untersucht. Im Schwimmverhalten von Zebrafischembryonen konnte dabei für Mirtazapinkonzentrationen ab 1 mg/L eine Aktivitätsabnahme von mehr als 45 % im Vergleich zu den Kontrollgruppen gemessen werden. Im Vergleich dazu nahm die Schwimmaktivität von Daphnien konzentrationsabhängig zu. Bei den komplexeren Proben, die künstlich hergestellt worden sind, als auch bei den nativen Umweltproben konnten sedierende Wirkungen auf das Schwimmverhalten von Zebrafischembryonen gemessen werden. Die Aktivitätsabnahmen waren dabei auch für Stoffkombinationen mit komplementären Wirkmechanismen messbar. Auf genregulatorischer Ebene konnten Steigerungen um das 8-fache im Vergleich zur Kontrollgruppe insbesondere bei Genen des Serotonin- und Dopaminsystems (slc17a6a, slc2a2, slc6a3a) gemessen werden. Die Analyse nativer Krankenhausabwasserproben wurde im interdisziplinären Umfeld unter anderem in Kooperation mit der Psychiatrie des Uniklinikums Aachen, sowie dem Umweltforschungszentrum in Leipzig durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen eine Aktivitätsabnahme des Schwimmverhaltens von Zebrafischembryonen in Abhängigkeit von der Konzentration der wiedergefundenen Neuropsychopharmaka. Erhöhte Abnahmen konnten dabei zu Tagesbeginn und am frühen Nachmittag gemessen werden. Auf Geneebene konnte unter anderem eine Erhöhung von Genen des Serotoninsystems gemessen werden. Zurückgeführt werden können die Verhaltenseffekte voraussichtlich auf eine Überladung des zentralen neuronalen Systems, welches für die Koordination der Bewegungen verantwortlich ist. Das zentrale Ziel dieser Arbeit, die Entwicklung eines mehrstufigen Testansatzes auf unterschiedlichen biologischen Ebenen, zur Abschätzung der Umweltauswirkungen dieser Substanzen konnte mithilfe der Studien erreicht werden. Durch einen gestuften Ansatz von der Analyse der Auswirkungen der Reinsubstanz Mirtazapin bis zur finalen Untersuchung einer komplexen Krankenhausabwasserprobe wurden unterschiedliche Endpunkte auf Verhaltens-, zellulärer- und Genexpressionsebene analysiert und diskutiert. Abschließend konnten die Ergebnisse zur Formulierung von Handlungsempfehlungen für die zukünftige Gefahrenbeurteilung dieser Stoffe genutzt werden, um langfristig eine möglichst hohe Zahl von aquatischen Organismen gegenüber diesen Stoffen zu schützen.

Einrichtungen

  • Fachgruppe Biologie [160000]
  • Lehr- und Forschungsgebiet Ökosystemanalyse [162420]
  • Lehrstuhl für Umweltbiologie und -chemodynamik [162710]

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