Mechanismen DNMT1-abhängiger Regulation des neuronalen Überlebens
- DNMT1-dependent mechanisms of neuronal survival regulation
Bayer, Cathrin; Zimmer-Bensch, Geraldine Marion (Thesis advisor); Lüscher, Bernhard (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2022)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2022
Kurzfassung
Der zerebrale Kortex als Ort für höhere kognitive Funktionen besteht aus verschiedenen zellulären Komponenten, die komplexe neuronale Schaltkreise in einem Netzwerk aus Exzitation und Inhibition bilden. Die korrekte Etablierung dieser neuronalen Netzwerke während der Entwicklung sichert die Funktionalität im adulten Gehirn, welche aufgrund der beschränkten Regenerationsfähigkeit der Neuronen über die gesamte Lebenszeit eines Individuums hinweg aufrechterhalten bleiben muss. Neben den exzitatorischen Projektionsneuronen sind die inhibitorischen Interneurone des Kortex ein wichtiger Bestandteil dieser Strukturen. Sie modulieren ein- und ausgehende Signale und somit die Aktivität beteiligter Neuronen. Interneurone sind daher für die kortikale Informationsverarbeitung von zentraler Bedeutung. Ab der Entstehung und während der verschiedenen Lebensstadien dieser Zellen ist eine straffe Orchestrierung und zugleich eine flexible Regulation der Genexpression notwendig, um so zelluläre Entwicklungsprogramme, die Funktionalität und das Zellüberleben zu sichern. Die transkriptionelle Kontrolle wird dabei durch verschiedene epigenetische Mechanismen, zu denen die DNA-Methylierung sowie Histonmodifikationen und regulatorische RNAs gehören, bewerkstelligt. Diese Mechanismen sind an der Regulierung der Lesbarkeit von Genen, deren Aktivität und an posttranskriptionellen Ereignissen beteiligt. Die DNA-Methylierung ist eine Hauptkomponente der epigenetischen Mechanismen, wird durch die Enzyme der Proteinfamilie von DNA-Methyltransferasen katalysiert und ist häufig mit der Inaktivierung von Genen assoziiert. Als größtes Protein der DNA-Methyltransferasen mit verschiedenen Proteinbindedomänen ist DNMT1 eines der wichtigen Enzyme zur transkriptionellen Regulation und liegt in inhibitorischen Interneuronen der Großhirnrinde stark exprimiert vor. DNMT1 ist notwendig für korrekt ablaufende Entwicklungsprozesse dieser Neuronensubpopulation als auch für deren Funktion im adulten Kortex. Während der embryonalen Entwicklung sichert DNMT1 die Zellmigration unreifer Interneurone vom Bildungsort im basalen Telencephalon zur Großhirnrinde und fördert das Überleben der Zellen. In adulten Interneuronen reguliert DNMT1 DNA-methylierungsabhängig intrazelluläre Prozesse wie Endozytose sowie Vesikelrecycling und beeinflusst dadurch die GABAerge Neurotransmission. Im alternden Gehirn hingegen reguliert DNMT1 das Überleben der Interneurone unabhängig von seiner DNA-Methylierungsfunktion durch indirekten Einfluss auf Komponenten des Proteostase-Netzwerkes. Intrazelluläre Prozesse wie der Proteintransport und die -degradation sind unter anderem hierfür essentiell und sichern das Überleben der Neurone bis ins hohe Alter. Ein Defekt in einem dieser Prozesse kann fatale Folgen haben und zum Zelltod führen, was mit Neurodegeneration einhergeht. Bisherige Daten zeigen, dass DNMT1 in unterschiedlichen Lebensstadien der Neuronen zelltypspezifisch und unabhängig von seiner DNA-Methylierungsaktivität arbeitet. Daher sollte in dieser Arbeit untersucht werden, wie DNMT1 unabhängig von seiner DNA-Methylierungsfunktion wirken kann und welche Möglichkeiten es gibt, mit denen DNMT1 die Proteostase und das Zellüberleben beeinflusst. In dieser Arbeit wurde herausgestellt, dass DNMT1 neben seiner DNA-Methylierungsfunktion auch durch Änderungen von Histonmodifikationen, die durch weitere Enzyme vermittelt werden, agiert. Sowohl in POA-abstammenden Interneuronen als auch in der Neuroblastoma-Zelllinie N2a beeinflusst DNMT1 die Trimethylierung an Histon 3 Lysin 27 (H3K27me3). Eine siRNA-vermittelte Herunterregulierung von Dnmt1 führte dabei zur Abnahme des globalen H3K27me3-Levels, was auf eine DNMT1-abhängige Etablierung der H3K27me3-Markierung hinweist. Als ursächlich konnte die Interaktion von DNMT1 und EZH2 gefunden werden, die die Trimethylierung sowohl in N2a-Zellen als auch in murinem Gewebe von Interneuronen-generierenden Regionen vermittelt. Analysen zu weiteren Interaktionspartnern von DNMT1, die mit Hilfe von massenspektrometrischen Methoden durchgeführt wurden, zeigten, dass weitere Interaktionen mit Proteinen aus verschiedenen Zellkompartimenten, sowohl Nukleus als auch Zytoplasma, möglich sind. Übereinstimmend mit der Identifizierung möglicher zytosolischer Bindungspartner impliziert der Nachweis einer zytosolischen Lokalisation des DNMT1-Proteins daher mögliche funktionelle Wirkmechanismen von DNMT1 im Zytoplasma. Die identifizierten DNMT1-interagierenden Proteine, TPD54, DOCK7, DPYSL2, CRMP1 und Gephyrin, sind stark mit intrazellulären Transportprozessen verbunden, wobei bereits gezeigt wurde, dass insbesondere der retrograde Transport durch DNMT1 negativ beeinflusst wird. Neben diesem Mikrotubuli-basierten Transportmechanismus wurde in der vorliegenden Studie zudem ein negativer Einfluss von DNMT1 auf Autophagie herausgestellt. Beide Prozesse sind für die Proteostase und die Beseitigung von Proteinen, die zur Aggregation neigen, wesentlich. In diesem Zusammenhang zeigten Knockdown-Experimente, dass DNMT1 die Aggregation von mutiertem Huntingtin in perinukleäre Regionen verzögert. Zudem konnte durch die Bildung von Aggresomen, die dieses Huntingtin enthielten, eine Verbesserung des Zellüberlebens beobachtet werden. Diesbezüglich konnte zusätzlich der Einfluss von DNMT1 auf die induzierte Zytotoxizität durch mutiertes Huntingtin gezeigt werden, wobei das Zellüberleben durch die Anwesenheit von DNMT1 reduziert wurde. Dies ist übereinstimmend mit den Ergebnissen einer vorigen Studie, die das geminderte Langzeitüberleben von parvalbuminergen Interneuronen im alternden Gehirn bei vorhandener Dnmt1-Expression darstellt. Die hier beschriebenen Effekte durch DNMT1 auf die durch mutiertes Huntingtin induzierte Zytotoxizität deuten weiterhin auf einen methylierungsunabhängigen Mechanismus hin, da nach Inhibierung der Methylaseaktivität keine Beeinflussung des Zellüberlebens von mutiertem Huntingtin-exprimierenden Zellen nachgewiesen werden konnte. Vielmehr scheinen diese Effekte zum Teil auf einer DNMT1-abhängigen Regulation von Protein-degradierenden Prozessen zu beruhen, die möglicherweise auf Interaktionen von DNMT1 mit zytosolischen Proteinen zurückzuführen ist. Zusammenfassend haben die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit verifiziert, dass DNMT1 durch Interaktion mit dem histonmodifizierenden Enzym EZH2 die repressive Trimethylierung von H3K27 in Neuronen beeinflusst. Neben seiner bekannten nukleären Lokalisation kommt DNMT1 zudem im Zytoplasma vor, wo es mögliche Interaktionen mit zytosolischen Proteinen, die mit dem Proteostase-relevanten Mikrotubuli-basierten Transportprozess assoziiert sind, eingeht. Über diesen Transportmechanismus scheint DNMT1 die Bildung von Aggresomen mit mutiertem Huntingtin negativ zu beeinflussen und dadurch die Überlebensrate von Zellen, die mutiertes Huntingtin exprimieren, zu verringern. Insgesamt scheint DNMT1 wichtige Funktionen abseits seiner genregulatorischen Aktivität zu haben und darüber negativ auf Proteostase-relevante Prozesse und das Zellüberleben zu wirken, was sich auf die mögliche Bindung mit zytoplasmatischen Interaktionspartnern stützen könnte.
Einrichtungen
- Fachgruppe Biologie [160000]
- Lehr- und Forschungsgebiet Neuroepigenetik [164620]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2022-05442
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2022-05442