Direct and indirect competition between invasive signal crayfish (Pacifastacus leniusculus) and native fish species : a long term study on behavioral and ecological effects in the laboratory and field
- Direkte und indirekte Konkurrenz zwischen dem invasiven Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) und heimischen Fischarten : eine Langzeitstudie verhaltensbiologischer und ökologischer Effekte in Labor und Freiland
Vaeßen, Susanne; Hollert, Henner (Thesis advisor); Schäffer, Andreas (Thesis advisor)
Aachen (2019, 2020)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2019
Kurzfassung
Nicht-heimische Krebsarten breiten sich in Deutschland und Europa rasant aus und haben als Überträger der Krebspest (Aphanomyces astaci), an der sie selbst nicht erkranken, die heimischen Flusskrebsarten an den Rand der Ausrottung gedrängt. Der Nordamerikanische Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) ist die problematischste Art, da er sehr groß und aggressiv wird, sich rasant vermehrt und im Gegensatz zu anderen Fremdarten auch kühle Temperaturen verträgt. So ist er in der Lage, selbst in die letzten Rückzugsgebiete der heimischen Krebse - die Oberläufe der Fließgewässer - vorzudringen. Welche katastrophalen Auswirkungen das auf heimische Flusskrebse hat, ist bereits klar, jedoch stellt sich die Frage, ob ein so großer Allesfresser, der in großen Dichten auftritt, nicht auch Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem und damit auch auf die heimischen Fischarten hat. Im Zuge der Wasserrahmenrichtlinie werden immer mehr Querbauwerke in Fließgewässern für eine bessere Durchgängigkeit beseitigt, was auch den Signalkrebsen die Verbreitung erleichtert. Daher ist es wichtig, zu überprüfen, ob dadurch nicht auch negative Folgen für unsere Gewässer entstehen. Um das heraus zu finden, wurden zwei Gewässer untersucht, die aktuell vom Signalkrebs besiedelt werden. Festgelegte Probestellen im Bereich der Verbreitungsgrenze mit möglichst übereinstimmenden physikalischen Eigenschaften erlaubten, die Ausbreitung der Krebse und deren Auswirkungen auf das Ökosystem zu beobachten. Dazu wurde über drei Jahre hinweg regelmäßig der Bestand an Signalkrebsen, Fischnährtieren (Invertebraten, hauptsächlich Kleinkrebse und Insektenlarven) und Fischen (Forellen, Groppen, Schmerlen etc.) erfasst. Zusätzlich dazu wurde das Verhalten der Signalkrebse gegenüber Fischen (direkte Auswirkungen) im Labor beobachtet. Bachforellen (Salmo trutta fario) und Lachse (Salmo salar) wurden dort zusammen mit unterschiedlichen Dichten von Signalkrebsen gehältert und per Unterwasserkamera dauerhaft überwacht. Dieses Hälterungsexperiment wurde im Frühjahr 2015 mit heimischen Edelkrebsen (Astacus astacus) wiederholt, um zu prüfen, ob diese tatsächlich weniger aggressiv sind als ihre nordamerikanischen Verwandten. Die Signalkrebse breiteten sich in beiden Gewässern aus und vermehrten sich. Jedoch gab es systemabhängige Unterschiede in Ausbreitungsgeschwindigkeit und maximaler Populationsdichte. Dies ist von den physikalischen Gegebenheiten abhängig, die die Tiere vorfinden, sowie höchstwahrscheinlich auch davon, ob die Population regelmäßig fischereilich genutzt wird oder nicht. Dort, wo die Invasion flussabwärts verlief, breiteten sich die Krebse deutlich schneller aus, als wenn sie gegen den Strom wandern mussten. Auch hier legten einzelne Tiere jedoch innerhalb kurzer Zeit große Distanzen zur Hauptpopulation zurück. Das Makrozoobenthos wurde nicht immer negativ durch die Anwesenheit von Krebsen beeinflusst. Gruppen die einen verhältnismäßig hohen Anteil in der Gesamtpopulation hatten, wurden stets am stärksten dezimiert. Dieser Effekt veränderte sich stark in Abhängigkeit von den Jahreszeiten und auch andere Faktoren beeinflussten die Stärke der Signalkrebseffekte. Die Dezimierung einiger Gruppen durch den Krebs schien sich positiv auf die Vermehrung anderer Invertebratengruppen auszuwirken. Manche Gruppen zeigten dagegen gar keine Reaktion. In jedem Fall änderte sich jedoch die Artenzusammensetzung durch die unterschiedlichen Reaktionen der einzelnen Gruppen. Die Krebse wirkten sich negativ auf die Gesamtzahlen des Makrozoobenthos aus. Dieser Effekt erreichte aber erst dann einen signifikanten Wert, wenn die Krebspopulation einen kritischen Punkt erreichte. Populationsdichten, die denen des heimischen Edelkrebses entsprachen, konnten augenscheinlich besser von der Invertebratengesellschaft verkraftet werden. Die Untersuchung der Fischpopulation im Freiland zeigte, dass bodenbewohnende, nachtaktive Arten, die benthische Invertebraten als Hauptnahrungsquelle nutzen, am stärksten unter dem Signalkrebs leiden. Dies waren Groppen (Cottus gobio) und Schmerlen (Barbatula barbatula). Fischarten des Freiwassers, wie Forellen und Elritzen (Phoxinus phoxinus), waren weniger stark betroffen, zeigten aber immer noch negative Tendenzen. Bachforellen erschienen in beiden Gewässern nur minimal negativ mit der Signalkrebsdichte zu korrelieren. Im Labor wurde jedoch beobachtet, dass sowohl Bachforellen als auch Atlantische Lachse als Freiwasserarten vom Signalkrebs aus Verstecken verdrängt wurden. Forellen waren dabei stärker betroffen, da sie generell stärker zur Nutzung von Höhlen neigten als Lachse. Da viele negative Auswirkungen der Signalkrebse nur in Verbindung mit hohen Populationsdichten auftraten, ist davon auszugehen, dass ihre Fähigkeit sich in kürzerer Zeit stärker zu vermehren als heimische Arten, für das Ökosystem entscheidender ist als die höhere Stoffwechselrate und Aggression der Individuen. Bis zu einer gewissen Dichte wurden die Krebse vom Ökosystem gut vertragen - genau so gut wie die heimische Art. Große Unterschiede in den Krebseffekten zwischen den beiden Gewässern zeigten weiterhin, dass diese nicht vorhersagbar, sondern von vielen Faktoren und regionalen Unterschieden abhängig sind. In jedem Ökosystem können diese anders ausfallen. Daher erscheint es besonders wichtig, zukünftig vermehrt das Vermehrungs- und Wander-/Invasionsverhalten verschiedener Flusskrebsarten zu erforschen.
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2020-00719
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2020-00719