Lokale Inflammation und ossäre Zell-Kommunikation nach Trauma : Untersuchungen im Klein-und Großtiermodell

  • Local inflammation and osseous cell communication after trauma : Studies in small and large animal models

Greven, Johannes; Pradel, Gabriele (Thesis advisor); Müller, Frank (Thesis advisor); Hildebrand, Frank (Thesis advisor)

Aachen (2020)
Doktorarbeit

Dissertation, RWTH Aachen University, 2020

Kurzfassung

Einleitung: Auf Basis der bisherigen Studienergebnisse bleibt unklar, ob sich nach einem schweren Trauma Begleitverletzungen oder Techniken zur Frakturversorgung (Osteosynthese) signifikant auf die lokale Inflammation auswirken und damit einhergehende Komplikationen der Frakturheilung in Form von Pseudathrosen hervorrufen. Im Rahmen dieser Dissertation sollten daher in einem klinisch relevanten Polytrauma-Großtiermodell der spezifische Einfluss von Verletzungen und Osteosyntheseverfahren auf die lokale Entzündungsreaktion untersucht werden. In einer zweiten Studie wurde in einem translational relevantem Rattenmodell die Effekte von extrazellulären Vesikeln (EV) auf frakturheilungsrelevante Osteoblasten untersucht, da EV eine relevante Rolle bei dem interzellulären Transport von inflammatorischen Mediatoren ünernehmen und damit deren Aktivitätsprofil beeinflussen können. Material und Methoden: Die Untersuchungen im Großtiermodell inkludierten drei Gruppen: Gruppe Monotrauma (isolierte Femurfraktur), Gruppe Polytrauma (Femurfraktur, Thoraxtrauma, Leberlazeration, hämorrhagischer Schock) und Shamgruppe (kein Trauma, nur Narkose/Beatmung und Katheteranlage). Die Femurfraktur wurde je nach Gruppe mit einem intramedullären Nagel oder einem externen Fixateur stabilisiert. Die Gesamtversuchsdauer betrug 72 h. Muskel- und Blutproben wurden an vier Zeitpunkten (2, 24, 48 und 72 h post Trauma) entnommen und die Zytokinkonzentration und -expression sowie der Immunzellstatus analysiert. Hierfür verwendete Methodiken waren Multiplex-ELISAs, qRT-PCR sowie histologische Schnitte. Im Modell der Ratte wurde zunächst ein Krischner Draht intramedullär in den Femur eingebracht und dann mittels einer stumpfen Guillotine eine Femurfraktur induziert. Im Verlauf wurden nach 3, 7 und 14 Tagen Blutproben entnommen und hieraus extrazelluläre Vesikel (EV) isoliert. Anschließend wurden primäre Osteoblasten mit diesen inkubiert und auf Viabilität und Proliferation hin untersucht. In allen Ansätzen wurde EV-freies Plasma und Plasma als Kontrolle mitgeführt. Die Analysen wurden mit Hilfe von Nanopartikel-Tracking-Analysen (NTA), immunhistologischen Färbungen, Neubauerkammer-Auszählungen und einem Proliferations Assay (MTT) erhoben. Ergebnisse: Der Vergleich der beiden Versorgungstrategien zeigte keinen signifikanten Unterschied für die lokale pro-inflammatorische Zytokinausschüttung in der Muskulatur. Die intramedulläre Marknagelung führte beim Monotrauma im Vergleich zur externen Fixation allerdings zu einem signifikanten Interleukin (IL)-10 Anstieg im Muskelgewebe (48 h nach Trauma, p< 0,05) und einer signifikant reduzierten Infiltration von neutrophilen Granulozyten im angrenzenden Muskelgewebe (p = 0,041)). Die Messung der Genexpression zeigt, dass bei Verwendung des intramedullären Nagels im Monotrauma eine erhöhte IL-6 und IL-8 Expression im Vergleich zur Verwendung des externen Fixateurs vorliegt. Die Fraktur selbst hatte einen signifikanten Einfluß auf die pro-inflammatorischen Zytokin-Konzentrationen mit signifikant höheren Zytokinspiegeln auf der traumatisierten Seite (T-Seite) im Vergleich zu der nicht verletzten Seite (AT-Seite) (IL-6: 2 h p = 0,041, 24 h p = 0,0017; IL-8: 2 h p = 0,002, 24 h p = 0,029 und 48 h p = 0,008) im Monotrauma. Auch die Schwere des Gesamttraumas (Mono- vs. Polytrauma) hatte einen signifikanten Einfluß mit erhöhten lokalen Zytokinkonzentrationen für das Monotrauma (2 h und 48 h: Mono- höher als Polytrauma p = 0,003; p = 0,032). Weiterhin konnte eine vermehrte Einwanderung von neutrophilen Granulozyten in den Muskel (Mono- vs. Polytrauma 15,52 ± 5,39 vs. 8,23 ± 3,36 [Neutrophile/Sichtfeld]; p = 0,013) nach Monotrauma gezeigt werden. Primäre Osteoblasten nahmen nach Inkubation mit EV diese auf und prozessierten diese im endoplamatischen Reticulum (ER). Die Ergebnisse der hier gezeigten Studie zeigen, dass gegenüber EV-freiem Plasma isolierte EV auch über einen längeren Zeitraum nach Fraktur Moleküle beinhalten, welche den Metabolismus und die Proliferation von Osteoblasten fördern. Das eingesetzte Voll-Plasma zeigte erst nach 14 Tagen viabilitätssteigernde Wirkung auf Osteoblasten (p = 0,032) während aus Plasma isolierte EVs schon kurz nach der Traumainduktion und über mehrtägigen Verlauf die Viabilität der Osteoblasten signifikant steigerten (3 d p = 0,038, 7 d p = 0,019 und 14 d p = 0,007). Diskussion: Lokale entzündliche Vorgänge haben potentiell Einfluss auf Frakturheilungs-relevante Prozesse. Im Rahmen unserer Studie konnten wir zeigen, dass diese lokale Entzündungsreaktion nach Polytrauma und Monotrauma unterschiedlich verläuft. Auch der Einfluß der Frakturversorgungsstrategie ist abhängig vom Vorliegen eines Mono- oder Polytraumas. Durch die systemische Reaktion während eines Polytraumas, kommt es auch auf der Gegenseite der Fraktur zu einer mit der Frakturseite vergleichbaren Entzündungsreaktion. Weiterhin scheint die Versorgungstrategie beim Polytrauma für die Konzentration von Zytokinen (IL-6, IL-8 und IL-10) im Muskelgewebe, sowohl auf der traumatisierten, als auch der nicht-traumatisierten Seite, eine untergeordnete Rolle zu spielen. Vielmehr wird diese insbesondere von den Begleitverletzungen beeinflusst. Ein möglicher Grund hierfür ist die beeinträchtigte Aktivität von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten während eines Traumas. Um die Bedeutung von Versorgungsstrategien im Rahmen eines Polytrauma detailierter evaluieren zu können, ist somit die Identifizierung spezifischerer Marker nötig. Beim Monotrauma spielt die Versorgungsstrategie eine wichtigere Rolle. Der intramedulläre Nagel reduziert die Anzahl der lokal rekrutierten neutrophilen Granulozyten. Zudem sind die pro-inflammatorische (IL-6 und IL-8) Zytokintranskription und anti-inflammatorische (IL-10) Proteinkonzentration im frakturnahen Muskelgewebe nach Monotrauma und Versorgung durch einen intramedullären Nagel verstärkt. Es könnte postuliert werden, dass aufgrund der fehlenden Begleitverletzungen die Rekrutierung von Immunzellen nach Monotrauma gezielter ablaufen kann. Die Interaktion zwischen der inflammatorischen Reaktion und der Fraktur(-heilung) könnte wesentlich durch systemische EV vermittelt werden, da die Viabilität und Proliferation von Osteoblasten durch EV modifiziert werden können. Durch diese mögliche Relevanz der EV ist ein potentieller Einsatz im Rahmen der Behandlung von Frakturheilungsstörungen (z.B. Pseudathrose) denkbar.

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