Thin-layer chromatography bioassay coupled detection of organic micro-pollutant induced effects in the environment
- Detektion von mikroverunreinigungs-induzierten Effekten in der Umwelt mittels Dünnschichtchromatographie-Bioassay-Kopplung
Riegraf, Carolin Elena; Hollert, Henner (Thesis advisor); Schäffer, Andreas (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2021)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2021
Kurzfassung
Oberflächengewässer und Grundwasser sind dem kontinuierlichen Eintrag von Mikroverunreinigungen (MPs) ausgesetzt. In der Folge finden sich in der aquatischen Umwelt komplexe Mischungen aus verschiedenen Substanzen, welche unerwünschte und negative Effekte hervorrufen können. Besondere Bedeutung kommt hier den endokrin wirksamen Substanzen (EDCs) zu, welche bereits in geringsten Konzentrationen negative Auswirkungen auf verschiedene Komponenten des endokrinen Systems haben können. Damit können essentielle Funktionen wie Reproduktion und Entwicklung gestört werden. Ein zentraler Wirkmechanismus von EDCs ist ihre agonistische oder antagonistische Wirkung auf Hormonrezeptoren wie z.B. Estrogen-, Androgen- oder Thyroidhormonrezeptoren. Eine weitere wichtige Gruppe von MPs stellen gentoxische Substanzen dar, die das Genom irreversibel schädigen können. Dies kann nachteilige Auswirkungen auf Populationsebene zur Folge haben. Des Weiteren können Herbizide, die z.B. durch ihre hemmende Wirkung auf das Photosystem II zur Unkrautvernichtung eingesetzt werden, in die aquatische Umwelt gelangen und diese damit nachteilig beeinflussen. Prospektive und retrospektive Risikobewertungen wurden in der Europäischen Union (EU) und anderswo eingeführt, um einen guten chemischen und ökologischen Zustand von Süßwassersystemen wie Flüssen oder Seen zu erreichen. In der EU definiert die europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, englisch: WFD) die Beurteilungskriterien zur Erfassung des chemischen Zustands eines Süßgewässers. Dies erfolgt auf der Basis einer Einzelstoffbewertung, wobei die entsprechenden Grenzwerte prioritärer Schadstoffe festgehalten sind. Damit ist jedoch weder die Detektion von biologisch aktiven Substanzen, einschließlich unbekannter Transformationsprodukte, gewährleistet, noch werden mögliche kombinatorische Effekte in Substanzgemischen erfasst. Des Weiteren stellt die enorme Anzahl von Verbindungen, die in der aquatischen Umwelt vorhanden sind, eine Herausforderung für die Risikobewertung der aquatischen Umwelt dar und erschwert eine umfassende chemische Charakterisierung. Um diesem Problem zu begegnen, wird die Weiterentwicklung der WRRL angestrebt. Konkret werden effektbasierte Methoden (EBMs) als ergänzende Elemente zur chemischen Analyse vorgeschlagen. EBMs werden verwendet, um alle zu einem beobachteten Effekt beitragenden Substanzen integrativ zu erfassen. Jedoch ist die ausschließliche Verwendung von EBMs zur direkten Identifizierung der Probenkomponenten, die für die nachgewiesene biologische Aktivität verantwortlich sind, nicht möglich. Dies trifft vor allem auf Umweltproben zu, welche aus einer Mischung von diversen Komponenten bestehen. Aufgrund dessen ist es umgekehrt notwendig, eine biologisch aktive Probe durch eine Kombination aus Fraktionierung, chemischer Analytik und EBMs zu analysieren. Die wirkungsorientierte Analytik (EDA) verbindet ökotoxikologische und analytische Methoden, um eine direkte Verbindung zwischen potentiell schädlichen biologischen Wirkungen aufgetrennter Probenfraktionen und der Charakterisierung von Verunreinigungen durch chemische Analysen herzustellen. Als Alternative zur Hochleistungsflüssigkeitschromatographie kann die Hochleistungsdünnschichtchromatographie (HPTLC) zur Probenfraktionierung verwendet werden. Im Anschluss erfolgt eine Evaluierung der fraktionsspezifischen Effekte mithilfe von Biotests direkt auf der HPTLC-Plattenoberfläche. Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, das Spektrum an spezifischen Biotests gekoppelt mit HPTLC zu erweitern und zu optimieren, um ein effizientes und robustes Screening von Umweltproben zu ermöglichen. Die Hauptziele der vorliegenden Arbeit sind (i) die Kombination von HPTLC mit Biotestverfahren zum Nachweis von dioxin-ähnlichen Wirkungen und hormonähnlichen Effekten, (ii) die Entwicklung eines Ansatzes zur Detektion gentoxischer Effekte in Kombination mit HPTLC, (iii) die Untersuchung der Möglichkeit den PSII-Hemmungstest direkt auf der HPTLC Plattenoberfläche durchzuführen, (iv) die Identifizierung von effektinduzierenden Substanzen durch Kopplung der planaren Biotestverfahren mit analytischen Techniken und (v) die Funktionalität der entwickelten Methoden durch die Analyse komplexer Umweltproben zu demonstrieren. Eine schrittweise Anpassung bereits existierender Methoden, eine Optimierung der Verfahren sowie eine Verbesserung der Testbedingungen führte zu einer erfolgreichen Kombination von HPTLC mit Biotestverfahren zur Detektion von Androgenität (p-YAS), dioxinähnlichen Wirkungen (p-YDS), Effekte auf den Vitamin D Rezeptor (p-YVS), Gentoxizität (p-recA) sowie PSII-Hemmung (p-PSII). Auch Biotests zum Nachweis von Effekten auf den Schilddrüsenhormonrezeptor (p-YTS) und auf den Retinsäurerezeptor (p-YRaS) konnten erfolgreich auf der HPTLC Plattenoberfläche durchgeführt werden. Die entwickelten planaren Testsysteme wurden anhand von mehreren Referenzsubstanzen, die einzeln sowie in Mischung getestet wurden, eingehend in Bezug auf Sensitivität, Reproduzierbarkeit und Robustheit charakterisiert. Die Bestimmungsgrenze (LOQ) mit chromatographischer Entwicklung lag bei 37 pg für Testosteron (p-YAS), 0.48 ng für beta-Naphthoflavon (p-YDS) und 1.0 ng für Calcipotriol-Hydrat (p-YVS). Im p-PSII wurden LOQs von 1.9 ng für Atrazin und 99 pg für Diuron bestimmt. LOQs ohne chromatographische Trennung von 10 pg für 3,5,3’- Triiodthyroessigsäure (p-YTS), 0.41 pg für Tamibaroten (p-YRaS) und 0.86 ng für Mitomycin C (p-recA) wurden ermittelt. Der vielfältige Anwendungsbereich der entwickelten planaren Methoden wurde anhand von matrixreichen Proben aus Zu- und Abflüssen von Kläranlagen (WWTPs), Deponiesickerwässern und Oberflächengewässern aufgezeigt. Das Erstellen von Aktivitätsprofilen ermöglichte einen Vergleich verschiedener WWTPs im Hinblick auf die Eliminationseffizienz von fraktionsspezifischen, agonistischen Effekten. Beobachtete spezifische Effekte wurden basierend auf visualisierten Aktivitätsprofilen qualitativ untersucht. Die Berechnung biologischer Äquivalenzkonzentrationen erlaubt eine quantitative Betrachtung biologisch aktiver Fraktionen. In den untersuchten WWTPs wurden östrogene und androgene Effekte nahezu vollständig, sowie PSII-hemmende Substanzen teilweise entfernt. Allerdings waren über einen Vergleich der unterschiedlichen Aktivitätsprofile WWTP abhängige Unterschiede in der Eliminationseffizienz erkennbar. Im Gegensatz zu klassischen Biotestverfahren, die in Mikrotiterplatten (96-well Platten) durchgeführt werden, zeigten die erstellten Aktivitätsprofile der Proben fraktionsspezifische Informationen über potentielle Effekte auf. Somit zeigte ein Vergleich der Proben verschiedener WWTP, dass trotz einer Abnahme der Gesamtaktivität zwischen Zu- und Ablaufproben, einzelne Fraktionen eine Aktivitätszunahme aufwiesen. Die Entstehung oder Aktivierung von Substanzen durch mögliche Metabolisierungsprozesse während der Abwasserbehandlung, welche zu potenteren Produkten führen kann, wurde anhand von der betrachteten Gentoxizität veranschaulicht. In Deponiesickerwasserproben wurden Estrogenität, dioxin-ähnliche Effekte sowie PSII-Hemmungen mithilfe der entwickelten Methoden detektiert. Bisphenol A wurde als maßgebliche Ursache für die Estrogenität in den untersuchten Deponiesickerwässern identifiziert. Dieser Befund wurde durch die Kopplung der planaren Biotests mit Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS) und Gaschromatographie-Massenspektrometrie bestätigt. Mithilfe von Passivsammlern gewonnene Extrakte von Oberflächengewässern wurden positiv auf PSII-Hemmung getestet. Die Ergebnisse des p-PSII korrelierten gut mit den Ergebnissen der LC-MS Analyse, zeigten aber auch unbekannte PSII-hemmende Aktivitäten auf. Die vorliegenden Ansätze können im Rahmen der WRRL als schnelle und robuste Screeningtools für Umweltproben verwendet werden. Die effektbasierten Ansätze erlauben es, den Fokus direkt auf die Detektion von umweltrelevanten Substanzen zu legen, die spezifische Effekte hervorrufen. Substanzen mit umweltgefährdendem Potential können basierend auf ihren Effekten erfasst werden, selbst wenn die chemische Struktur der entsprechenden Umweltkontamination noch unbekannt ist. Die Screeningtools könnten dazu verwendet werden Belastungen und Quellen chemischer Kontaminationen zu verfolgen, Emissionspfade von biologisch aktiven Substanzen zu analysieren oder zur Prozessoptimierung von z.B. Abwasserreinigung eingesetzt werden. Die Charakterisierung von Effektprofilen mithilfe der vorgestellten Ansätze ermöglicht die substanzbasierte Bewertung des chemischen Zustands durch das Einbeziehen von ausgewählten prioritären Substanzen als Referenzsubstanzen. Darüber hinaus werden weitere nicht-prioritäre MPs, welche die gleiche Wirkungsweise aufweisen, erfasst. Dies macht die Methode zu einem geeigneten Screeningtool für eine mögliche zukünftige effektbasierte Bewertung des Zustands von Süßwassersystemen wie Flüsse und Seen.
Einrichtungen
- Fachgruppe Biologie [160000]
- Lehr- und Forschungsgebiet Ökosystemanalyse [162420]
- Lehrstuhl für Umweltbiologie und -chemodynamik [162710]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2021-08462
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2021-08462