Molekulare Charakterisierung von seltenen benignen und malignen aberranten Differenzierungen der Harnblase und Identifizierung möglicher Zielstrukturen für eine personalisierte Therapie
Maurer, Angela; Pradel, Gabriele (Thesis advisor); Knüchel-Clarke, Ruth (Thesis advisor)
Aachen : RWTH Aachen University (2021)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2021
Kurzfassung
Harnblasenkarzinome zeigen überwiegend eine urotheliale Differenzierung. Seltenere plattenepithelial oder glandulär differenzierte Tumore der Harnblase werden auf Grund der geringeren Fallzahlen meist nicht in klinischen Studien berücksichtigt. Ebenfalls ist zum Teil noch wenig über molekulare Veränderungen sowie mögliche Entstehungszusammenhänge dieser Tumore bekannt. Im Rahmen dieser Arbeit wurden deshalb diese seltenen Tumore in zwei Projekten mit Hilfe verschiedener molekularer Methoden weitergehend untersucht. Im ersten Projekt wurde ein FFPE-Kollektiv von überwiegend plattenepithelial differenzierten Urothelkarzinomen (MIX) und reinen Plattenepithelkarzinomen (PECA) der Harnblase mittels Immunhistochemie (IHC) auf die Expression von sieben Markern (AR, ER-alpha, CD117, PD-1, PD-L1, EGFR, HER2) sowie auf den Expressionsverlust von vier DNA Mismatch Reparatur (MMR) Proteinen (MSH2, MSH6, MLH1, PMS2) untersucht, um mögliche therapeutisch relevante Zielstrukturen in plattenepithelial differenzierten Harnblasenkarzinomen (SQ-BLCA) zu identifizieren. Hierbei konnten einige Fälle mit PD-L1 Expression bzw. MMR-Verlust identifiziert werden, die ggf. von einer Immuncheckpointinhibitortherapie profitieren könnten. Ebenfalls konnte für SQ-BLCA (n=125) eine hohe EGFR-Expression (95% positiv, 61% Überexpression) gezeigt werden, weshalb EGFR-Inhibitioren als mögliche Therapieoption für SQ-BLCA weitergehend untersucht wurden. SCaBER, eine plattenepithelial differenzierte Harnblasenkarzinomzelllinie, zeigte in Zellkulturversuchen eine hohe Sensitivität (GI50= 0, 28 μM) gegenüber den EGFR-Inhibitoren Erlotinib und Gefitinib. Ebenfalls durchgeführte Kombinationsbehandlungen von SCaBER mit jeweils einem EGFR-Inhibitor (Erlotinib, Gefitinib) und einem Chemotherapeutikum (Cisplatin, Gemcitabin) zeigten für die getesteten Kombinationen und Konzentrationen überwiegend synergistische Effekte (Berechnung des Wirkstoffeffektes der Kombinationsbehandlungen mit Hilfe der Chou-Talaly-Methode). Für die Kombination von Erlotinib und Cisplatin wurde ein konzentrationsabhängiger Anta- gonismus für Erlotinib-Konzentrationen unterhalb des GI50 von Erlotinib (0,03 - 0, 26 μM) festgestellt. Die hohe Empfindlichkeit von SCaBER gegenüber EGFR-Inhibitoren zeigt, dass SQ-BLCA möglicherweise gut und ggf. besser als andere Harnblasenkarzinome auf eine EGFR-Inhibitortherapie ansprechen könnten. Jedoch sollten mögliche antagonistische Effekte der EGFR-Inhibition mit Chemotherapeutika (insbesondere Cisplatin) in der Therapie- bzw. Studienplanung berücksichtigt werden (u.a. Dosis, Zeitpunkt, Reihenfolge). Im zweiten Projekt wurde ein FFPE-Kollektiv von seltenen glandulären Harnblasenkarzinomen (primäre Adenokarzinome der Harnblase (BAC), n=12; Adenokarzinome des Urachus (UAC), n = 13; glandulär differenzierte Urothelkarzinome (UCg), n = 11) sowie einigen glandulären präinvasiven Vorstufen (Cystitis glandularis (CG), n = 3; intestinale Metaplasie (IM), n = 1) mittels NGS bzw. SNapShot auf genomische Alterationen in 21 Genen sowie mittels IHC auf einen Expressionsverlust von SWI/SNF-Komplex und MMR-Proteinen untersucht. Durch Vergleich der Ergebnisse dieser Analysen mit öffentlich verfügbaren Daten für muskelinvasive Harnblasenkarzinome (BLCA) und kolorektale Adenokarzinome (CORAD) sollten Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Tumorgenese identifiziert werden, da glanduläre Harnblasenkarzinome histologisch zum Teil eher CORAD als BLCA ähneln. TP53 Alterationen waren die häufigsten nachgewiesenen Veränderungen in sowohl BAC, UAC und UCg, während eher "urotheliale" TERT-Promotermutationen überwiegend in UCg und eher "kolorektale" SMAD4-Alterationen nur in BAC und UCg detektiert werden konnten. Auffällig war die niedrige Frequenz an APC Veränderungen in allen drei Entitäten im Vergleich zu CORAD. Ebenfalls konnten einige möglicherweise therapeutisch relevante onkogene Veränderungen in BRAF, KRAS, NRAS und PIK3CA nachgewiesen werden. Aktivierende FGFR3-Mutationen wurden in keiner der untersuchten Proben detektiert. Die IHC zeigte keinen Fall mit MMR-Verlust, jedoch konnte in drei Fällen ein Expressionsverlust eines SWI/SNF Proteins nachgewiesen werden. Beim Vergleich der Veränderungen von BAC, UAC und UCg mit BLCA und CORAD zeigt sich für UCg ein deutlich "urotheliales" Muster an Aberrationen, während BAC und UAC sowohl "urotheliale" als auch "kolorektale" Veränderungen aufweisen. UAC und BAC bilden somit eine eigene Gruppe zwischen CORAD und BLCA mit ähnlichem Alterationsprofil und mehr Gemeinsamkeiten zueinander als zu BLCA oder CORAD. In den ebenfalls sequenzierten drei CG Fällen konnten keine pathologischen Veränderungen in den 21 untersuchten Genen nachgewiesen werden. Die untersuchte IM Probe zeigte jedoch mit einer TERT-Promotermutation sowie einer Mutation des FBXW7-Gens Veränderungen, die auf einen möglichen präkanzerösen Charakter dieser Läsion hinweisen. Zusammenfassend ist es im Rahmen dieser Arbeit gelungen, anhand retrospektiver multizentrischer FFPE-Kohorten von seltenen Harnblasenkarzinomen mit zwei unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen mögliche Ansätze für Therapien sowie Zusammenhänge in ihrer Entstehung zu eruieren. Für SQ-BLCA konnte EGFR als eine mögliche therapeutisch relevante Zielstruktur, sowohl für MIX als auch für PECA, identifiziert werden mit vielversprechenden in vitro Daten. Für glanduläre Harnblasentumore sowie glanduläre präinvasive Vorstufen konnten erste molekulare Daten erhoben (UCg) bzw. vorhandene Daten ergänzt (BAC, UAC, CG, IM), größere als bisher beschriebene Ähnlichkeiten zwischen BAC und UAC aufgedeckt und einige potentiell therapeutisch relevante Alterationen identifiziert werden.
Einrichtungen
- Fachgruppe Biologie [160000]
- Lehr- und Forschungsgebiet Zelluläre und Angewandte Infektionsbiologie [164020]
- [525500-2]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2021-09881
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2021-09881